Es gibt kaum ein altes Handwerk, das sich besser für Maschinen eignet, als die Weberei. Trotzdem haben sich allein bei dem GEPA-Handelspartner CO-OPTEX rund 200.000 traditionelle Handweber zusammengeschlossen. Das sichert ihren Lebensunterhalt und bietet den Kundinnen und Kunden wunderschöne Wohntextilien wie Kissenbezüge, Wohndecken und Hamamtücher, von denen keines dem anderen auf den Faden gleicht.
Das Geklapper der Webstühle vermischt sich in den Gassen des Weberviertels von Chennimalai zu einem rhythmischen Sound, der auf die Dauer ein wenig einschläfernd wirkt. Doch M. Anbalagan kann es sich nicht leisten wegzudösen. Er muss konzentriert bei der Sache bleiben, damit er stets alle acht Pedale seines Webstuhls in der richtigen Reihenfolge bedient. Ein Fehler und das kunstvolle Muster wird unterbrochen. „Zum Weben braucht man Geduld, Konzentration und Ausdauer“, sagt der 55-Jährige. „Geist, Hände und Füße müssen im Einklang arbeiten.“
Nun legt er eine Pause ein. „Das ist wichtig, um die Konzentration zu erhalten“, sagt er, trinkt erst einmal einen Tee und schaut seiner Frau A. Janaki zu, die das Garn für die aktuellen Auftrag aufspult: Hamamtücher für die GEPA. „Das Muster ist ziemlich aufwändig“, meint M. Anbalagan. „Ich habe ein recht gut trainiertes Gedächtnis, aber ich brauche trotzdem zwei Tage, bis ich verinnerlicht habe, in welcher Folge ich die Pedale treten muss.“ Ob das nicht sehr mühsam ist? Der Weber zuckt mit den Schultern und lacht. „So ist das halt. Weil es für die GEPA ist, bekomme ich zehn Prozent mehr für jedes Tuch. Das ist wunderbar.“
Fair gehandelte Kissenhüllen und Wohndecken, aber auch Hamamtücher von CO-OPTEX finden Sie in Weltläden und im GEPA-Onlineshop.
M. Anbalagan ist seit 30 Jahren Mitglied bei CO-OPTEX und er würde nie auf die Idee kommen, die Kooperative zu verlassen. „Dank CO-OPTEX habe ich Zugang zu einer Krankenversicherung und mit 60 Jahren werde ich eine monatliche Rente bekommen. Außerdem habe ich an einem Sparprogramm teilgenommen, zu dem die Regierung noch mal denselben Betrag einzahlt wie ich. Und kostenlosen Strom bekomme ich auch!“
Das alles sind Vergünstigungen, die allen Handwebern zustehen. Weber gelten in Indien als benachteiligte Berufsgruppe, weshalb der Staat besondere Förderprogramme für sie aufgelegt hat. Doch um Zugang dazu zu erhalten, müssen einige bürokratische Hürden genommen werden. Für einen einfachen Mann wie M. Anbalagan ist das zu kompliziert und private Auftraggeber kümmern sich um solche Fragen nicht.
Das ist eine Erfahrung, die auch K. Thangalvel machen musste. Der 58-Jährige wohnt in einem Dorf etwas außerhalb von Chennimalai und sitzt ebenfalls an einem Auftrag für die GEPA. Er webt eine Wohndecke. Die Kettfäden an seinem Webstuhl müssen für dieses Muster in nicht weniger als 32 Kombinationen dirigiert werden. Außerdem hat das Muster der GEPA-Decke nicht nur ganz gerade, sondern auch leicht geschwungene Linien. Um ein solches Gewebe herzustellen, arbeitet K. Thangalvel an einem sogenannten Jacquard-Webstuhl. 32 Lochkarten – für jede Kombination eine – helfen ihm dabei.
Jedes Mal, wenn er den „Schützen” – darauf ist der Schussfaden aufgewickelt, bei kleineren Webstühlen würde man dazu „Schiffchen” sagen – mittels einer Vorrichtung durch die Fäden geschossen hat, schiebt er mit dem Fußpedal die Lochkartenschlange weiter, um dann den nächsten Schussfaden zu verweben. Das ist eine Technik aus dem Jahr 1805, die heute noch so gut funktioniert wie damals. Die Arbeit erfordert zwar weniger Konzentration auf das Muster an sich als an einem herkömmlichen Webstuhl, doch körperlich ist sie wesentlich anstrengender. Denn am Jacquard-Webstuhl muss der oder die Weber/-in den ganzen Tag stehen. Außerdem ist diese Art zu weben zeitaufwändiger, weil das Gewebe dichter wird.
Einen Einblick, wie die Jacquard-Technik funktioniert, gibt die Bildergalerie:
„Bis vor 15 Jahren habe ich für einen Privatmann gearbeitet. Doch da habe ich weniger verdient und auch keine der staatlichen Vergünstigungen erhalten. Jetzt bekomme ich sogar jedes Jahr einen Bonus, wenn die Kooperative Gewinne macht.“ Im vergangenen Jahr bekam jedes Mitglied 31 Prozent seines Verdienstes zusätzlich ausbezahlt. Für K. Thangalvel und M. Anbalagan waren das jeweils rund 500 Euro, die zu ihrem Familieneinkommen dazu kamen.
Ihr Handwerk ist für die meisten Weber eine Arbeit, an der auch die Ehefrauen beteiligt sind. Sie spulen das Garn auf, das von CO-OPTEX zur Verfügung gestellt wird, während ihre Männer es verweben. Sollte ihren Männern etwas zustoßen, stünden sie normalerweise ohne Absicherung da. Doch CO-OPTEX hat für alle seine Mitglieder eine Lebensversicherung abgeschlossen, mit der ihre Familien Tod oder Arbeitsunfähigkeit des Hauptverdieners überbrücken können.
Diese Lebensversicherung ist für viele Weber besonders wichtig, denn die meisten von ihnen sind über 50, ein Alter, in dem sich für viele ärmere Inder das Leben bereits dem Ende zuneigt. Viele haben nur die Grundschule besucht – wenn überhaupt. Für ihre Kinder wollen sie etwas anderes. Anwälte, Ärzte, IT-Ingenieure, wenigstens Lehrer sollen sie werden. Hauptsache ein Beruf mit Ansehen. Weber stehen auf der untersten Stufe der Hierarchie. Sie gelten als arm und ungebildet.
Doch wie viele Anwälte und IT-Ingenieure kann ein Land gebrauchen? Zwar wächst Indiens Wirtschaft immer noch rasant, aber es gibt erste Anzeichen, dass sie trotzdem nicht für all die vielen aufstiegswilligen jungen Menschen Jobs bieten kann. Zumindest keine mit guter Bezahlung und hohem Prestige. „Wir müssen nicht nur dafür sorgen, dass die Weber besser bezahlt werden, sondern auch dafür, dass sie ein höheres Ansehen bekommen“, erklärt R. Vaasu aus der Führungsetage von CO-OPTEX. „Handwerk, etwas mit den Händen zu tun, muss wieder mehr Wertschätzung erfahren.“
Dieser Satz könnte auch von dem Vorsitzenden der Deutschen Handwerkskammer stammen. „Nicht nur, weil es sonst in absehbarer Zeit kaum noch traditionelle handgewebte Produkte gibt, sondern auch, weil wir es sonst mit einem Heer unterbeschäftigter Ärzte und Anwälte zu tun bekommen, die nicht wissen, wovon sie leben sollen.“
Um das Ansehen der Weber in der Gesellschaft zu verbessern, hat sich CO-OPTEX für den indischen Markt etwas Besonderes ausgedacht: Jeder Seidensari ist mit einem Anhänger versehen, auf dem Handwerker, der ihn gewebt hat, vorgestellt und seine Arbeit beschrieben wird. „Wir haben damit großen Erfolg“, freut sich R. Vaasu. „Plötzlich verstehen die Kunden, dass sie hier ein individuelles Einzelstück kaufen, hinter dem ein Mensch steht und sind deshalb auch bereit, mehr dafür zu bezahlen.“ Den Menschen hinter dem Produkt sichtbar machen: Das ist auch Ziel der GEPA. So findet sich an jedem GEPA-Hamamtuch wie an jedem Handwerksprodukt der GEPA, ein Anhänger, der auf den Handelspartner und die Handarbeit hinweist.
Für die GEPA schafft M. Anbalagan pro Tag drei Stück der komplizierten Hamamtücher und verdient daran fünf Euro. Damit ist der Weber sehr zufrieden. Nach seinen drei größten Wünschen gefragt, fallen ihm nur zwei ein. „Alle Menschen sollen ein gutes Leben haben. Besonders meine Söhne. Das ist alles, was wir wollen.“ Er selber, so findet er, hat ein gutes Leben. Ein kleines Haus mit zwei Zimmerchen, eingerichtet mit zwei Bettgestellen, ein paar Plastikstühlen und als großem Luxus einen Kühlschrank. „Mehr brauchen wir nicht, wir sind zufrieden“ meint der Weber und seine Frau Janaki nickt zustimmend. „Wichtig ist nicht, dass wir mehr besitzen, sondern, dass wir im Notfall abgesichert sind.“
Stand 07/2017
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