Fairness in der Tasse: der Weg des braunen Goldes

Zu Besuch bei Kaffee-Kleinbauer Fernando Blanco
von der Genossenschaft COOPEAGRI in Costa Rica

Rote Kaffeekirschen leuchten uns an den Kaffeesträuchern mit den tiefgrünen Blättern entgegen. Bananenstauden und die sogenannte spanische Zeder wechseln sich in der Pflanzung ab – Schattenbäume für einen naturnahen Anbau. „Obwohl es viel geregnet hat, hat uns der Klimawandel wenig beeinflusst, denn diese Sorte Caturra ist sehr widerstandsfähig. Daher haben wir keine Probleme mit Ernteverlusten gehabt“, sagt Kaffee-Kleinbauer Fernando Blanco. Er zeigt auf gerade sichtbare Sprossen der zwei Jahre alten Pflanzen, die die Kirschen für die nächste Ernte tragen werden, ein kostbares Gut. „Es ist unglaublich, was die Kaffeepflanze alles kann“, begeistert sich der erfahrene Landwirt immer noch.

 

Doch jetzt werden mitten in der Kaffee-Erntezeit erstmal die optimal reifen Kirschen geerntet. Fernando macht mir vor, wie es geht. Wichtig ist, möglichst nur die reifen zu nehmen, in deren Fruchtfleisch sich die beiden Bohnenkerne verbergen. Geübt mit beiden Händen zupft er zügig die roten Kirschen ab und wirft sie in den Korb, der um die Hüfte gebunden ist. Dass der Kaffee sorgfältig gepflückt wird, hat eine entscheidende Auswirkung auf die Qualität, weiß er aus Erfahrung. Von seinem Vater hat er vor Jahrzehnten ein Grundstück von zwei Manzanas geerbt, etwa zwei Hektar.

Eine starke Genossenschaft

Wie der 58-jährige Fernando arbeiten viele Mitglieder der Kaffee- und Zuckergenossenschaft COOPEAGRI in Costa Rica. Rund 6000 Kaffee- und Zuckerrohr-Produzent*innen sind dort zusammengeschlossen. Die Mitglieder bauen den Kaffee so umweltschonend wie möglich an, auch wenn sie keinen zertifizierten Bio-Kaffee vermarkten. Aus den Resten der Kaffeekirschen stellt die Genossenschaft natürlichen Dünger u.a. für die Kaffeeproduzent*innen her und unterstützt sie z.B. dabei, die Waldgebiete um ihre Kaffeefincas zu schützen. Eine starke Genossenschaft ist für die Kaffee-Kleinbäuer*innen entscheidend im harten Weltmarkt-Geschäft mit dem braunen Gold. Auf meiner Reise durch Costa Rica Ende November 2022 kann ich mit Filmautorin Anne Welsing einen Abstecher zum langjährigen GEPA-Partner machen. Rubén Picado Cordero, verantwortlich für die Kaffee-Qualitätskontrolle bei COOPEAGRI, begleitet uns. Etwa 30 Minuten geht es von San Isidro de El General, der 55.000-Einwohner-Stadt im Süden Costa Ricas, aufs Land.

Wie Fernando und Maria vom Kaffeeanbau leben

Wir dürfen heute kennenlernen, wie Fernando Blanco Chinchilla und seine Frau Maria del Carmen Gamboa Rivera hier vom Kaffee- und Bananenanbau leben.
Als wir aus dem Kaffeefeld zurückkommen, steht schon ein Mittagessen für uns auf dem Tisch: frisch gefangener Fisch, den die 48-jährige Maria für uns auf offenem Feuer gebraten hat. Dazu gibt es „Patacones“, frittierte Kochbananen, sowie Bohnenpüree mit Tomaten-Koriander-Sauce (Pico de gallo) und geriebenem Käse darüber – alles sehr lecker angerichtet auf einem Bananenblatt mit aufgeschnittener Orange. Mit ihrer großen Gastfreundschaft geben uns Fernando und Maria persönliche Einblicke. Vorher hatte uns Fernando stolz über die mit vielen Details angelegte Finca geführt: Gänse, Enten, Truthähne und Hühner sowie ein Teich, in dem er die Tilapia-Fische – Buntbarsche – hält. Einen Großteil der Nahrungsmittel erzeugen sie selbst. Auch zwei Schweine gibt es. Und sogar Bienenstöcke mit einer kleinen Wildbienenart. Sein Haus liegt mitten in den Kaffeepflanzungen. Mit dem Blick in die weite grüne Hügellandschaft sagt er: „Ich habe hier meinen Kaffee, meine Fische, gesunde Luft und Umwelt“. Und sein ungewöhnliches Hobby: Er schnitzt Skulpturen wie etwa eine Languste und andere Tiere aus den Wurzeln der Kaffeesträucher.

Durch das Einkommen aus dem Kaffeeanbau konnte ich mir eine Existenz aufbauen.Fernando Blanco Chinchilla, Kaffee-Kleinbauer

Diese idyllisch wirkende Finca ist mit mehr als 40-jähriger Arbeit im Kaffeeanbau hart erarbeitet. Maria und Fernando berichten, wie ihre drei Söhne, Alter 27, 26 und 20 Jahre inzwischen Ausbildungen machen und in San José und anderen Städten studieren, sie kommen an den Feiertagen nach Hause. Und sie haben noch eine jetzt 15jährige Adoptivtochter. Maria zeigt mir auf dem Handy die Bilder von ihnen. Sie hoffen, dass ein Sohn, der sich für Agrarökonomie entschieden hat, wieder zurückkehrt, um den Hof zu übernehmen. Ein anderer studiert Medizin. „Wir sind sehr weit gekommen. Durch das Einkommen aus dem Kaffeeanbau konnte ich mir eine Existenz aufbauen, heiraten und mich nach und nach als Landwirt weiterentwickeln. Wir konnten unsere Kinder großziehen, die jetzt die Universität besuchen und schon recht weit fortgeschritten sind. Es macht mich sehr stolz, Kaffeebauer zu sein“, erzählt Fernando.

Eigene Supermärkte – Kaffeevermarktung im Inland

Der Kaffee, der auf den Tisch kommt, stammt ebenfalls von COOPEAGRI, also in gewisser Weise auch von Fernando und Maria selbst. Die Genossenschaft besitzt zusätzlich zu Kaffeeaufbereitungsanlagen, Lagern und einem Qualitätslabor nicht nur eine eigene Rösterei, sondern auch sechs Supermärkte, in denen der fertige Röstkaffee vertrieben wird. „Es war der Wunsch der Mitglieder, auch den eigenen Qualitäts-Kaffee kaufen zu können und ihn nicht nur für den Export bereit zu stellen“, sagt Jonathan Duran, Exportmanager bei COOPEAGRI in einem der Supermärkte vor dem Kaffeeregal. 20 Prozent des Kaffees geht an den einheimischen Markt. Anlässlich des 60. Geburtstages der Genossenschaft im November 2022 gibt es eine eigene Sonderedition. 
In den langen Jahren wurde viel aufgebaut. Bei COOPEAGRI arbeiten rund 900 Angestellte in den unterschiedlichsten Bereichen wie in der Kaffee- und Zuckerrohrverarbeitung, in den eigenen Supermärkten, einer eigenen Tankstelle sowie einer eigenen Klinik und einer Bank für die Mitglieder.

In einem besonderen Projekt erhalten die Kaffeeproduzent*innen wie auch Fernando Blanco neue Kaffeepflanzen, um den Anbau mit Sorten zu unterstützen, die resistenter gegen Schädlinge sind – auch das vermehrte Auftreten von Pflanzenkrankheiten sind letztendlich Auswirkungen des Klimawandels. Das spielte ganz besonders in den Jahren 2013/2014 eine Rolle, als der „Kaffeerost“, eine Pilzkrankheit, extrem viele Pflanzen in ganz Mittel- und Südamerika vernichtet und die Produzent*innen in große wirtschaftliche Probleme gestürzt hatte. Bis heute müssen die Kaffeebäuer*innen die Setzlinge erst nach vier Jahren zur Hälfte bezahlen und nach fünf Jahren den Rest. „COOPEAGRI hat uns nie im Stich gelassen“, blickt Fernando zurück.

Fairer Handel als Alternative für die Zukunft

Für mich bedeutet Fairer Handel, den Mitgliedern eine nachhaltige Alternative zu bieten.Maynor Gamboa Arias, Vizepräsident COOPEAGRI

Zehn Prozent des Rohkaffees kann COOPEAGRI an den Fairen Handel in Europa und den USA vertreiben – dennoch ist „comercio justo“ für die Organisation ein zentraler Wert, um die Lebensbedingungen der Mitglieder zu verbessern. „Für mich bedeutet der Faire Handel eine Möglichkeit, eine Hoffnung, den Mitgliedern weiterhin eine nachhaltige Alternative zu bieten. Und er gibt ihnen die Chance, sich für einen besseren Zugang zum Markt zu entscheiden“, erzählt uns Maynor Gamboa Arias, Vizepräsident von COOPEAGRI , als wir uns mit einigen Mitgliedern des Vorstands der Genossenschaft über den Kaffeemarkt, Fairen Handel und die aktuellen Herausforderungen in Zeiten von Krieg und Inflation austauschen. Die Balance zwischen den sozialen und ökomischen Zielen sowie den Umweltanforderungen liegt ihnen schon lange am Herzen. Von der Vielfalt des Engagements bin ich beeindruckt. „COOPEAGRI lebt wirklich den Geist einer Genossenschaft, mit allem, was dazu gehört und kann als Vorbild für viele andere gelten“, bestätigt auch Franziska Bringe, Einkaufsmanagerin Kaffee bei der GEPA.

„Die wichtigste Herausforderung für uns ist der Generationswechsel und unseren Kindern den Fairen Handel als Alternative zu vermitteln“, betont Maynor Gamboa Arias. Das Ziel, die jüngere Generation zu begeistern, das alles kommt mir ziemlich bekannt vor und sehr spannend, wie unsere Partner hier neue Impulse setzen. Den Nachwuchs bindet man ein in einer „Jugendgenossenschaft“ unter dem Motto „Future Leaders“, also zukünftige Führungskräfte. Kinder der Angestellten und Mitglieder machen dort mit und werden an die Themen einer Genossenschaft herangeführt.

Auch wenn die Organisation eine starke Kraft mit politischem Einfluss in Costa Rica geworden ist, steht sie doch vor großen Herausforderungen und muss immer wieder neue Wege in den schwankenden und sich verändernden Rohstoffmärkten Kaffee und Rohrzucker suchen. Zum Beispiel haben sie ein innovatives Produkt zunächst für den heimischen und den US-Markt entwickelt: Aus dem Fruchtfleisch der Kaffeekirsche entsteht ein antioxidatives Fitnessgetränk, das nicht nur erfrischt, sondern auch gesundheitsfördernde Wirkung haben soll.

Von der Kirsche zum Rohkaffee

Zurück zum Kaffeefeld. Nachmittags gegen 16 Uhr ist die Erntezeit beendet und die Pflücker*innen bringen ihre Säcke mit den gesammelten Kirschen aus der Pflanzung an den Weg. Mit seinem grünbraunen alten LKW fährt Fernando dorthin und die Säcke werden erst in Eimer zum Abzählen und dann auf die Ladefläche geschüttet. Fernando hilft auch selbst mit. 
„In diesem Jahr beschäftige ich 15 Pflücker*innen und Arbeiter*innen, sie sind für mich wie eine Familie“, sagt Fernando. Er erklärt, wie wichtig es ist, dass sie sich wohl fühlen, denn dann leisten sie auch gute Arbeit, insbesondere bei der Pflege der Pflanzung für die nächste Ernte. Einige kommen immer wieder zu ihm. Er hat vier einfache Häuser für sie und stellt ihnen beispielsweise die Betten, Gasherd und auch eine Waschmaschine zur Verfügung ebenso wie Trinkwasser. Hier sind es Wanderarbeiter*innen aus Nicaragua, eine besonders benachteiligte Gruppe. In Costa Rica verdienen sie viermal so viel wie vor Ort beim lateinamerikanischen Nachbarn, erläutert Ruben. Die Pflücker*innen im Blick zu haben, entspricht nicht nur dem sozialen Geist der Kooperative, sondern ist auch im Fairtrade-Standard festgelegt – im herkömmlichen Anbau ist oft das Gegenteil der Fall.

Der Kaffeeverkauf sichert mir das Jahr.Fernando Blanco Chinchilla, Kaffee-Kleinbauer

Nächste Station ist eine von 121 Sammelstellen von COOPEAGRI – nicht weit entfernt im anliegenden Dorf. Hier werden die Kirschen abgeladen und die Menge bestimmt. Dazu rieseln sie erst in einen Behälter, und dann darunter in ein Auffangbecken. Den gelben großen Truck, der im unteren Bereich am Hang steht, werden wir später wieder sehen. Auf seiner Ladefläche häuft sich jetzt die wertvolle Ernte. Und Fernando erhält den Beleg für die abgelieferte Menge an Kaffeekirschen und den Preis dafür. Jeder Schritt ist dokumentiert. “Ich bin sehr zufrieden mit dem Preis, den ich von COOPEAGRI bekomme“, sagt er. Ca. drei Monate kann er ernten, die Einnahmen aus dem Verkauf der Kaffeekirschen an COOPEAGRI zu fairen Bedingungen muss er sich dann für die restliche Zeit aufteilen: “Der Kaffeeverkauf sichert mir das Jahr", erklärt der 58-jährige Kaffee-Kleinbauer.

Früher mussten die Mitglieder ihre Ernte selbst zur Verarbeitungsanlage bringen. Schon lange bietet aber die Genossenschaft diese Dienstleistung an, eine große Erleichterung. Nach der Vorauszahlung bei Ablieferung der Kaffeekirschen erhalten die Mitglieder nochmal eine Nachzahlung, wenn COOPEAGRI den Kaffee an seine Kunden wie etwa die GEPA verkauft hat. 

Um 20 Uhr am Abend dann fahren wir zur großen Kaffeeverarbeitungsanlage von COOPEAGRI. Und treffen den gelben Truck wieder. Jetzt herrscht hier Hochbetrieb die ganze Nacht: Truck um Truck kommt beladen mit Kaffeekirschen an der Entpulpungsanlage an. Dort wird das Fruchtfleisch entfernt, das die Bohnen umschließt. Dann werden die Bohnen gereinigt und in großen Trommeln getrocknet. Auch wenn ich nicht das erste Mal bei Kaffeepartnern der GEPA zu Besuch bin, wird mir wieder einmal bewusst, wieviel Arbeit bei Anbau, Pflücken und Verarbeitung hinter einer Tasse Kaffee steht: Denn logistisch muss alles sehr gut durchgetaktet sein, damit die Kaffeekirschen zeitnah an einem Tag verarbeitet werden können.

Mit fairem Kaffee einen Beitrag zum Wandel leisten

Und fertig: Zusammen mit Rubén kann ich den nach Heu riechenden Pergamino-Kaffee in die Hand nehmen. Wenn dieser in einer weiteren Anlage vom Pergamenthäutchen befreit und nochmal sortiert worden ist, tritt er als exportfähiger Rohkaffee den Weg nach Deutschland zur GEPA und zu unseren Vertragsröstereien an. Und COOPEAGRI hofft, ebenso wie viele andere GEPA-Partner, auch in Zeiten großer globaler Umwälzungen weiterhin stark für die Mitglieder sein zu können. Der Faire Handel wird dabei eine wichtige Rolle spielen – eine faire Tasse Kaffee genügt, um einen Beitrag zum Wandel zu leisten.

GEPA-Pressesprecherin
Barbara Schimmelpfennig

Der faire Kaffee der costaricanischen Genossenschaft ist u.a. in folgenden GEPA-Kaffees enthalten: Milde Mischung, Café Aha, Café Camino, Espresso Cargado und im Außer-Haus-Bereich im Café Rico.

Stand 03/2023

WEITERE INFORMATIONEN

Wie wir daran arbeiten, unsere Kaffees noch klimaschonender zu produzieren:
Das macht unseren Orgánico zum echten „Klima-Kaffee“

Was die GEPA-Expert*innen an Kaffee lieben, lesen Sie auf unserer Seite:
Kaffeekultur made by GEPA

Kompetenzteam

GEPA-Kaffeeteam:
Liebe für Kaffee

Welche Bedeutung Kaffee für die GEPA-Expert*innen hat und was sie daran so lieben, lesen Sie hier.

 | Foto: GEPA - The Fair Trade Company / C. Schreer

Im Video

Kaffeepflücken mit Kleinbauer Fernando

GEPA-Pressesprecherin Barbara Schimmelpfennig durfte sich bei ihrem Besuch in Costa Rica als Kaffeepflückerin versuchen.

 | Foto: GEPA – The Fair Trade Company / A. Welsing

Klimaschutz

GEPA-Kaffee: Besser fürs Klima

Wie wir auf allen Ebenen daran arbeiten, unsere Kaffees noch klimaschonender zu produzieren.

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