Kolumbien: Aufgeben ist keine Option

Kaffeepartner COSURCA
trotzt Klimakrise und Bürgerkrieg

Reportage von Knut Henkel (07/2022)

COSURCA heißt der etwas andere Dachverband von elf Kaffeekooperativen aus dem Süden Kolumbiens. Im Verwaltungsbezirk Cauca, südlich der Hauptstadt Popayán, befindet sich die Zentrale. Dort wird der Kaffee sortiert, geprüft, gelagert und ausschließlich an Fair Trade-Partner verkauft. Recht ungewöhnlich, selbst für eine innovative Kaffeekooperative. Doch bei COSURCA wird auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte gefördert – nicht nur mit einer kritischen Ausstellung.

*** Im September 2023 hat uns Knut Henkel noch eine neuere COSURCA-Reportage aus Kolumbien mitgebracht: Mit Qualitätskaffee gegen die Klimakrise ***

Das Wandbild im Hof von COSURCA zeigt die typische von den Bergen der Andenkordilleren zerschnittene Landschaft des Cauca. Eine fruchtbare von Vulkanen eingefasste Hochebene, auf der Mais, Zuckerrohr und Kaffeesträucher wachsen. Zwei riesige, mit roten Kaffeekirschen gefüllte, Hände recken sich dem Betrachter entgegen, am Rand des Bildes junge Kaffeesetzlinge vor einem Farmgebäude, darauf der Schriftzug COSURCA, die Abkürzung für „Kooperative des Südens des Cauca“ (Empresa Cooperativa del Sur del Cauca). 

Unter dem Kürzel organisieren sich seit 1993 elf Genossenschaften, deren Zentrale sich in Timbío befindet. Die Kleinstadt liegt knapp fünfzehn Kilometer südlich von Popayán, der ökonomischen Drehscheibe des Verwaltungsbezirks Cauca.

Kleinbauern-Organisation mit 1.500 Familien

Neben dem Wandbild stehen unter einem schützenden Dach der kleine LKW und der Transporter, mit denen die Produkte des Genossenschafts-Dachverbands ausgeliefert werden: Bio-Kaffee, Fruchtsäfte und Panela, der eingekochte und in Kolumbien so beliebte Zuckerrohrsaft. „Alles mit unserem Logo versehen und fair und ökologisch produziert“, erklärt Freddy Urbano mit stolzer Stimme und weist den Weg in den Bürotrakt mit dem Konferenzraum.

Wir werden gemeinsam mit unseren Partnern kontinuierlich besser.Freddy Urbano, Verkaufs- und Qualitätsmanager

Urbano, ein kräftiger, graumelierter Mann von Ende 40, ist Verkaufs- und Qualitätsmanager der 1.500 Familien zählenden Kleinbauern-Organisation. Die verkauft jedes Jahr rund 15 Prozent ihrer Ernte an die Wuppertaler GEPA. Das hat seit 2001 Tradition und der Aufbau langfristiger, partnerschaftlicher Geschäftsbeziehungen gehört zur COSURCA-Philosophie. „Wir beliefern elf Röstereien in Deutschland, Frankreich und den USA, die ausnahmslos Fairtrade-zertifiziert sind und wir werden gemeinsam mit unseren Partnern kontinuierlich besser“, meint Urbano und hält ein Handbuch von einem Workshop zur Qualitätssteigerung hoch. Das lag sicherlich nicht ganz zufällig auf dem Konferenztisch. Zuletzt organisierte die GEPA 2019 einen Workshop zur Verbesserung der Produktqualität in Wuppertal – unter anderem mit COSURCA.

Mittlerweile hat auch Geschäftsführer René Ausecha am Tisch Platz genommen. „80 Prozent unserer Ernte erreicht mittlerweile 84 und mehr Punkte auf der Skala der US-amerikanischen Spezialitätenkaffee-Vereinigung SCAA und erfüllen damit die Kriterien von Gourmetkaffee.“ Ein Erfolg kontinuierlicher Arbeit, gefördert von Partner wie der GEPA.

Kaffee aus Fairem Handel: Kleine Flächen – große Qualität

Dazu gehört die regelmäßige Erneuerung der kleinen Kaffeeplantagen mit jungen Setzlingen, die direkt in den Genossenschaften von COSURCA gezogen werden. Dafür ist nicht jede Kaffeesorte geeignet. Urbano erklärt: „Wir setzen mit Colombia, Típica, Caturra und etwas Bourbon auf vier klassische, besonders aromatische Kaffeesorten und halten wenig von den neuen Sorten, die durch den nationalen Kaffeeverband beworben werden.“

Das hat Gründe, denn anders als der kolumbianische Durchschnitts-Kaffeebauer haben die COSURCA-Mitglieder, oft indigener und afrokolumbianischer Herkunft, nur kleine Flächen zur Verfügung. „Sie bauen Kaffee auf durchschnittlich 1,2 Hektar Fläche an. Die ertragreichen Sorten, die der Kaffeeverband bewirbt, sind aber für größere Areale konzipiert“, erklärt Urbano.

 

Kaffee, Klimawandel und das Problem der illegalen Landwirtschaft

Folgerichtig haben die COSURCA-Expert*innen ihr Anbaukonzept angepasst – auch an die Böden und das sich wandelnde Klima der Region. Mehr Regenfälle und kältere Temperaturen in der Blütephase haben im letzten Jahr für einen Ernteeinbruch von rund dreißig Prozent gesorgt. In diesem Jahr wird deshalb die Erntephase ausgedehnt. „Von Ende März bis in den Dezember hinein werden wir die Kaffeekirschen pflücken, kontinuierlich, aber in kleinerem Maßstab“, erläutert Urbano die neue Strategie. Die hat Vorteile, denn anders als früher, wo das Gros der Ernte in wenigen Monaten eingebracht wurde, müssen so kaum zusätzliche Arbeitskräfte angestellt werden.

Die permanente Unsicherheit war zurück.René Ausecha, Geschäftsführer

Ohnehin sind Arbeitskräfte im Cauca knapp. „Hier wird laut UN-Quellen auf rund 17.000 Hektar Koka angebaut ¬– Tendenz hier, aber auch landesweit, steigend. Die Koka-Bauern zahlen schlicht höhere Löhne als wir uns leisten können“, erklärt Geschäftsführer René Ausecha mit sorgenvoller Miene. Die Ausweitung der illegalen Landwirtschaft ist für ihn eine direkte Folge davon, dass der Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla von November 2016 nur teilweise umgesetzt ist. Die hatte im von gleich zwei Andenkordilleren zerteilten Cauca eine ihrer stärksten Bastionen. In vielen dieser Regionen ist der Krieg zurückgekehrt. „Vier Monate hatten wir hier Frieden, dann tauchten neue bewaffnete Akteure auf – die permanente Unsicherheit war zurück. Heute müssen wir in einigen Regionen bei ihnen anfragen, ob wir zu Schulungen unserer Mitglieder anreisen dürfen“, schildert Ausecha die aktuelle Situation.

Guerilla-Gruppen sorgen für ein Klima der Unsicherheit

Patía heißt eine der Gemeinden, rund 80 Kilometer von Timbío entfernt, wo die Agrartechniker von COSURCA nicht mehr unangemeldet aufkreuzen können. 
Kein Einzelfall. Die Tatsache, dass Paramilitärs, ELN-Guerilla und dissidente FARC-Guerilleros oft mit den Drogenbanden kooperieren, sorgt dafür, dass Kaffeebäuer*innen auch aufgefordert werden auf den Kokastrauch umzusatteln. 

Dagegen steuern die COSURCA-Genoss*innen an: Filmvorführungen und Diskussionsabende mit Kaffeebäuer*innen und ihren Familien, Schulungen und Hilfsprojekte gehören genauso dazu wie das kleine Museum über die Geschichte der Genossenschaft im Kontext des seit 1964 schwelenden Bürgerkriegs. „Auch eine Bibliothek haben wir eingerichtet, über dem Speisesaal“, erklärt Ausecha und weist den Weg über den Hof. Dort stehen unter einem Unterstand allerhand ausrangierte Maschinen und Geräte, die früher im Kaffeeanbau im Einsatz waren. Schälmaschinen, die die Kaffeekirschen vom süßen Fruchtfleisch trennen, Dreschmaschinen, die die Pergaminhaut um die Kaffeebohne lösen, aber auch die hölzernen Rechen, mit denen die in der Sonne trocknenden Kaffeebohnen vorsichtig gewendet werden.

COSURCA zwischen Alltag und politischen Querelen 

Gleich neben der Open-Air-Ausstellung befindet sich ein separater Raum, dessen weiße Wände mit bedruckten Folien beklebt sind, auf denen dick gedruckte Jahreszahlen ins Auge springen. Eine Zeitleiste, die die wichtigsten Ereignisse im Land und in der Region festhalten. Darunter natürlich auch alles Relevante rund um COSURCA. Die Gründung neuer Genossenschaften etwa, die erste Fairtrade-Zertifizierung, der Kauf der Sortiermaschine aus deutscher Produktion oder die ersten Bildungsinitiativen.

Die Hoffnungen auf einen echten Frieden waren immens.René Ausecha, Geschäftsführer

„Wir schulen unsere Mitglieder nicht nur in Sachen Kaffee, sondern koordinieren auch ihre Weiterbildung und organisieren Diskussionsveranstaltungen“, erklärt Geschäftsführer Ausecha und fährt sich durch den schütter werdenden Haarschopf. Der Mann von Anfang 50 hat die 2012 aufgenommenen Verhandlungen über das Friedensabkommen zwischen der FARC-Guerilla und der kolumbianischen Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos aufmerksam verfolgt und auch mit den Genoss*innen diskutiert. „Hier in der vielleicht am stärksten vom Bürgerkrieg geprägten Region des Landes waren die Hoffnungen auf einen echten Frieden immens.“ Längst haben sie mehr als einen Dämpfer erhalten.

Neue Produkte, innovative Programme

Doch am Engagement René Ausechas hat das nichts geändert. Vor ein paar Wochen hat COSURCA die erste Filmvorführung in einer Genossenschaft organisiert, die nächste steht Anfang Juni an. „Für viele unserer etwa fünfzig Gäste, darunter viele Jugendliche, war es die erste Kinovorstellung in ihrem Leben. In den abgelegenen Gemeinden kommt nichts an“, ärgert sich der COSURCA-Geschäftsführer.

Genau das hätte eigentlich mit dem Friedensabkommen besser werden sollen. Darin ist fixiert, dass der Staat gerade in den von der FARC-Guerilla kontrollierten Regionen in die Infrastruktur, in alternative Entwicklungs- und Bildungsprogramme investieren soll. Doch vor Ort ist kaum etwas passiert. Wichtige Straßen sind oft nicht mehr als Schotterpisten, staatliche Institutionen wie Gerichte oder Genehmigungsbehörden glänzen oft durch Abwesenheit. All das ist für Freddy Urbano und René Ausecha ein Grund für den erneuten Aufschwung der Kokaproduktion und auch für die Rückkehr des Krieges.

Kein Aufgeben trotz schwieriger Rahmenbedingungen, auch Dank Unterstützung der GEPA

Dagegen engagieren sie sich. Nicht nur mit Weiterbildung unter schwierigen Bedingungen, sondern auch mit der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen. Dazu zählt der Aufbau einer eigenen Fruchtsaft-Produktion sowie die anlaufende Produktion und Verarbeitung von Kakao und Erdnüssen, wofür die Ingenieurin Sandra Pantoja verantwortlich ist. Doch es gibt auch Programme, die die Lebensbedingungen vor Ort spürbar verbessern. Dazu zählt der gemeinsame Bau besserer Küchen, von Holzherden, die weniger Brennholz verbrauchen und kaum Qualm produzieren, genauso wie der Aufbau von Bio-Düngeranlagen und kleinen Baumschulen in den Anbau-Regionen. Mehrere dieser Initiativen wurden auch von GEPA unterstützt. Das trägt Früchte. Das belegt die niedrige Abwanderungsquote bei COSURCA. 

Während andere Genossenschaften dreißig Prozent und mehr ihrer Mitglieder-Familien in den letzten drei Jahren verloren haben, ist die Zahl bei COSURCA recht stabil. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass die hohen Weltmarktpreise für Kaffee direkt weitergegeben werden. Rund 19.000 Peso umgerechnet 4,65 Euro, erhalten die Genoss*innen pro Kilogramm Rohkaffee von COSURCA derzeit ausbezahlt.

„Q-Grader“ im Kaffeelabor von COSURCA

Das ist attraktiv und natürlich spricht sich unter den Kaffeefamilien auch herum, wenn wieder einmal ein Bauer oder eine Bäuerin für einen Sack besonders guten Kaffees höhere Preise erzielt. Dafür sorgt Edwin Puliche, der sogenannte „Q-Grader“ im Kaffeelabor von COSURCA. Q-Grader sind Menschen, die eine intensive Ausbildung durchlaufen haben, um Kaffeequalität zertifiziert testen und einschätzen zu können. So auch Puliche, der die Proben besonders guter Kaffees an die Partner in Übersee schickt und mehrfach schon ein paar Säcke, sogenannte Micro-Lots, zu besonders hohen Preisen an den Kunden gebracht hat. „Das motiviert, zusätzliche Arbeit in die Kaffeesträucher zu stecken“, meint Puliche. 

Er ist mit COSURCA groß geworden, ist der Sohn eines Kaffeebauern aus der Region Cajibío und nun dafür mitverantwortlich, dass der Kaffee den Weg zum Kunden findet. Sein Vorgänger hat bei der GEPA in Wuppertal bereits eine Fortbildung mitgemacht und er hofft das irgendwann nach der Pandemie nachzuholen. Gerade hat Puliche die ersten Muster der neuen Ernte zusammengestellt. In mehreren bunten Schalen stehen sie auf dem Tisch. Ein Zettel in jeder Schale gibt Auskunft, von welcher Farm sie stammen, und der erste Eindruck ist gut. Nicht nur für René Ausecha und Freddy Urbano ist das eine gute Nachricht in einer extrem harten Zeit.

Stand: 07/2022

Diese Reportage hat der freie Journalist Knut Henkel von seinem Besuch aus Kolumbien mitgebracht.

WEITERE INFORMATIONEN

Neue COSURCA-Reportage von Knut Henkel:
Mit Qualitätskaffee gegen die Klimakrise (09/2023)

Einen Überblick über unseren Partner bekommen Sie in der
Handelspartner-Darstellung COSURCA

Was die GEPA-Expert*innen an Kaffee lieben, lesen Sie auf unserer Seite:
Kaffeekultur made by GEPA

Wie der Faire Handel Kaffeebäuer*innen mehr Planungssicherheit bietet, lesen Sie in der
aktuellen Studie des Forum Fairer Handel "Mit bitterem Beigeschmack" (06/2022)

Neue Reportage

Mit Qualitätskaffee gegen die Klimakrise

Diese neuere Reportage aus 2023 zeigt, wie COSURCA versucht, Ernteausfälle durch exzellente Kaffeequalität zu kompensieren.

 | Foto: GEPA - The Fair Trade Company / K. Henkel

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Kaffeestudie des Forum Fairer Handel

„Mit bitterem Beigeschmack”

Diese Studie zeigt u.a. am Beispiel COSURCA, wie der Faire Handel den Kaffeebäuer*innen mehr Planungssicherheit bietet.

 | Foto: GEPA - The Fair Trade Company / FEDECOCAGUA