Fair Trade-Kerzen: Kleines Jobwunder in Indonesien

Wax Industri:
Faire Fabrikarbeit in Asien

Wenn von Fabriken in Asien die Rede ist, denkt man vor allem an niedrige Löhne, schlechte Produktionsbedingungen und Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte. Der GEPA-Partner Wax Industri aus Indonesien zeigt mit fairer Bezahlung und umfassenden Sozialversicherungen, dass es auch anders geht. Die fairen Kerzen in vielfältigen Farben hat die GEPA seit 2014 im Sortiment. Aufgrund ihrer Beliebtheit stieg die Bestellmenge deutlich – weitere Farben und Formen sind geplant.

Mit einem weichen Lappen poliert Sumiati* die dunkelrote Kerze mit der komplizierten Oberfläche so lange, bis sie glänzt. Sie sitzt ein wenig abseits in der Fabrikhalle von Wax Industri in der Entwicklungsabteilung. Hier entwirft sie neue Kerzenmodelle, die demnächst von ihren Kolleginnen im großen Stil gefertigt werden. „Ich bin seit neun Jahren bei Wax Industri und habe in dieser Zeit viel gelernt. Ich bin stolz darauf, dass ich es so weit gebracht habe, dass ich neue Modelle entwickeln kann“, sagt die 32-Jährige und beugt sich wieder über ihre Arbeit. 

Es ist beruhigend, dass im Notfall die Krankenversicherung greift, für mich und meine Familie.Sumiati

Bevor Sumiati bei Wax Industri arbeitete, hatte sie eine Anstellung in Jakarta als Verkäuferin in einer Bäckerei. 15 Busstunden vom Elternhaus entfernt, für sie als älteste Tochter, die sich traditionell um die Eltern kümmert, eine schwierige Situation. „Ich war so froh, als ich dann doch ganz in der Nähe meines Dorfes einen Job fand“, erinnert sie sich. Das war ein echter Glücksfall, denn die Gegend um Ngawi in Ostjava ist einer der am wenigsten entwickelten Landstriche der indonesischen Insel. Bislang gibt es hier kaum Industrie, sondern die Menschen leben hauptsächlich vom Reisanbau. Wenn die Ernte gut ausfällt, ist das Einkommen so gerade ausreichend – oft genug aber auch nicht. 

Wax Industri war das erste größere Unternehmen, das in dieser abgelegenen Gegend Arbeitsplätze schaffte. „Ich hätte es mir auch einfacher und billiger machen und Maschinen anschaffen können. Um Kerzen herzustellen, braucht es keine Handarbeit“, erklärt Ong Wen Ping. „Aber was hätte es für einen Sinn, so eine Fabrik hier hinzustellen, nur um billig zu produzieren? Ich komme aus dieser Gegend und ich möchte hier gut leben. Wie könnte ich das, wenn ich in Maschinen investieren würde, während gleichzeitig viele Menschen nicht genug zum Leben haben? Nur wenn die Menschen hier ein stabiles Einkommen und gute Arbeitsbedingungen haben, können wir alle friedlich und ohne Kriminalität leben.“ Deshalb lässt er alle Kerzen in Handarbeit gießen, polieren und verpacken und hat so für ein kleines Jobwunder in der Region gesorgt. Und das ist noch lange nicht alles.

Was hat es für einen Sinn eine Fabrik hier hinzustellen, nur um billig zu produzieren?Ong Wen Ping

Sozial abgesichert: Von Krankversicherung bis Altersvorsorge

Für ein stabiles Einkommen und gute Arbeitsbedingungen seiner Angestellten zu sorgen, das ist das Hauptanliegen dieses außergewöhnlichen Unternehmers. Ong Wen Ping, Mitte 40 und Familienvater, bietet seinen Mitarbeitern ein für Indonesien ungewöhnliches Paket an sozialen Vergünstigungen, darunter eine Lebensversicherung und Altersvorsorge, medizinische Checkups und die Erstattung von Ausgaben für Medikamente. „Mir ist die Krankenversicherung für mich und meine Familie am wichtigsten“, meint Sumiati. „Ich habe sie glücklicherweise noch nie gebraucht, aber es ist so beruhigend zu wissen, dass sie im Notfall greift.“ 

Wax Industri hat derzeit 140 Angestellte, 80 Prozent davon sind Frauen. Davon sind 30 Personen festangestellt und 110 (überwiegend Frauen) arbeiten vor allem in der rund viermonatigen Hauptsaison. Ong Wen Ping stellt ganz bewusst bevorzugt Frauen ein. Nicht nur, weil sie seiner Erfahrung nach sorgfältiger und bessere Handarbeiter sind als Männer. „In den Dörfern hier ist es üblich, dass die Männer sich um die Felder kümmern und die Frauen daheim bleiben. Wenn dann das Geld nicht reicht, entscheiden sich viele Frauen dazu, ihre Familien zu verlassen und zum Arbeiten in eine der Millionenmetropolen Indonesiens oder gar ins Ausland als Hausangestellte auf die arabische Halbinsel zu gehen. Familien brechen auseinander und Kinder wachsen ohne ihre Mütter auf. Das möchte ich verhindern“, begründet der Unternehmer seine Entscheidung für vorrangig weibliche Arbeitskräfte.

 

Unser Haus hat jetzt richtige Mauern und einen festen Boden.Sumiati

Stabiles Einkommen schafft neue Möglichkeiten

Ong Wen Ping hat damit in den Dörfern rund um seine Fabrik eine gesellschaftliche Veränderung eingeläutet. Es ist Sumiati, die das einzige stabile Einkommen der Familie erwirtschaftet, während ihr Mann Faris immer nur hoffen kann, dass sein Reisfeld ausreichend bewässert wird. Auf die Frage, wie sich ihre Stellung in der Familie dadurch verändert hat, mag sie nicht antworten; sie will ihren Mann nicht in Verlegenheit bringen. Aber sie erzählt stolz, was die Familie dank ihres Gehaltes alles anschaffen konnte: „Wir haben vor zwei Jahren das Haus renoviert. Bis dahin waren die Wände aus roh gezimmerten Brettern und wir hatten nur Fußboden aus gestampftem Lehm, der bei Regen schnell aufweichte. Jetzt hat unser Haus richtige Mauern und einen festen Boden und seit ein paar Monaten sogar eine Terrasse!“ Auch die Anschaffung von Schulbüchern und Schuluniform für den siebenjährigen Sohn Ikmal stellt ihre Familie nicht wie die Nachbarn jedes Jahr vor ein Problem. 

Zu einem verantwortungsvollen Unternehmertum gehören für Ong Wen Ping nicht nur gute Arbeitsbedingungen, sondern auch umweltbewusstes Handeln. Die gerade neu entstehende Fabrikhalle wird deshalb mit Solarmodulen ausgestattet. Das Wachs für die Kerzen wird aus Palmöl hergestellt – ein Rohstoff, der wegen der hemmungslosen Brandrodung zur Anpflanzung von Palmölplantagen in Verruf geraten ist. Ong Wen Ping weiß um die Umweltzerstörung, die durch das Palmöl verursacht wird, und achtet seit Gründung seiner Firma streng darauf, nur Wachs aus nachhaltigem, zertifiziertem Anbau zu kaufen, dem – soweit er weiß – kein Regenwald weichen musste. „Am liebsten würde ich Biowachs verwenden, aber das ist leider nur schwer zu bekommen“, meint er bedauernd. Auch die GEPA ist daran sehr interessiert und sucht gemeinsam mit Ong Wen Ping nach dieser Möglichkeit.

Die guten Arbeitsbedingungen sprechen sich herum

Die guten Arbeitsbedingungen bei Wax Industri haben sich herumgesprochen. Ong Wen Ping kann sich vor Bewerbungen kaum retten und wird von der benachbarten Schuhfabrik heftig angegriffen. „Der Besitzer sagt, ich würde hier die Preise verderben und es kämen Arbeiter zu ihm, die allen Ernstes nach Sozialversicherungen fragten“, erzählt der Unternehmer und kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Seine Antwort darauf ist, möglichst bald schon den Anfängern in seiner Fabrik nicht nur den Mindestlohn, sondern ein sogenanntes Living-Wage zu zahlen. Darunter versteht man ein Gehalt, mit dem alle Grundbedürfnisse wie ausreichende Nahrung, Kleidung, Schulmaterialien, Strom oder Unterkunft bezahlt werden können und noch etwas für Investitionen übrig bleibt. Das für Java errechnete Living-Wage liegt etwa 15 Prozent über dem indonesischen Mindestlohn. „Bislang erhöhen wir den Mindestlohn nach einem Jahr Einarbeitungszeit.


Erfinderische Mitarbeiter

Je nach Fähigkeiten und Leistung verdienen unsere Arbeiter bis zum Dreifachen des Mindestlohns“, erklärt Ong Wen Ping die Gehaltsstruktur bei Wax Industri. „Damit sich Wax Industri das leisten kann, müssen wir noch effektiver und vor allem energiesparender arbeiten. Gerade die Energiekosten sind ein großer Posten. Deshalb sind alle Arbeiter aufgefordert, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Arbeitsabläufe verbessert werden können. Und ich muss sagen, sie haben wirklich tolle Ideen.“

Dabei ist Improvisation alles, denn Wax Industri muss notgedrungen mit dem arbeiten, was auf dem indonesischen Markt verfügbar ist. Aber die Mitarbeiter sind erfinderisch. Um das Wachs auf den Gießtischen mit möglichst geringem Aufwand flüssig zu halten, kam einer auf den Gedanken, Bügeleisen darunter zu befestigen. Ein anderer hatte die Idee, ein Gerät, das eigentlich zum Verschweißen von Plastikfolie gedacht ist, dazu zu nutzen, die Kerzenformen vorzuheizen – die müssen beim Gießen die Temperatur des Wachses haben, sonst kühlt es nicht gleichmäßig ab und das kann zu Rissen in den Kerzen führen. „Allen Mitarbeitern hier ist klar, dass die guten Arbeitsbedingungen nur aufrechterhalten werden können, wenn unsere Kunden zufrieden sind und uns weiter Aufträge geben. Deshalb achtet jeder Einzelne hier darauf, sorgfältig zu arbeiten, damit wir nur beste Qualität liefern“, fasst Ong Wen Ping den Arbeitsethos der Belegschafft zusammen.  

Sumiati wird demnächst weiter aufsteigen – sie soll in die Verwaltung von Wax Industri wechseln. Als Vorbereitung darauf hat sie Fahrstunden bekommen. Nicht, weil sie für die neue Aufgabe Auto fahren müsste. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit erhöhen, wenn die Frauen lernen, wie man ein Auto fährt. Und je höher die Mitarbeiter aufsteigen, desto selbständiger müssen sie Entscheidungen treffen können“, ist die Begründung für diese zunächst kurios anmutende Weiterbildung. Damit ist Sumiati die einzige Frau in ihrem Dorf, die einen Führerschein hat. Noch etwas, auf das sie stolz sein kann. 


* Auf Java ist es üblich sich nur mit dem Vornamen vorzustellen.

 


Stand 11/2015

 

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 | Foto: GEPA - The Fair Trade Company/C. Nusch