Hin zu existenzsichernden Löhnen und Einkommen

Die GEPA setzt Zeichen bei
Kaffee- und Handwerkspartnern

Noch immer reicht das Einkommen vieler Menschen im Globalen Süden kaum zum Leben. Oft deckt es gerade einmal die Kosten für Grundbedürfnisse wie Wohnen oder Lebensmittel.

Die GEPA setzt sich seit ihrer Gründung vor fast 50 Jahren dafür ein, allen Beteiligten einen fairen Anteil am Einkommen zu sichern und den bestmöglichen Preis für ihre Handelspartner zu erzielen. 

Zusätzlich zum fairen Preis erhalten die Handelspartner eine Fairtrade-Prämie, von denen die Mitglieder der Produzenten-Organisationen direkt und indirekt profitieren. Diese Prämie liegt für Kaffee zurzeit bei 20 US-Dollar pro 100 amerikanische Pfund Rohkaffee (45,36 kg).

Ein Leben in Würde

Eine arbeitende Person soll so viel verdienen, dass die eigene Existenz und die der Familie gesichert ist. Erst dann spricht man von einem existenzsichernden Einkommen, das ein Leben in Würde ermöglicht. 

Beim existenzsichernden Einkommen geht es um deutlich mehr als um das „reine Überleben“. Es deckt neben Lebensmitteln auch Ausgaben wie Kleidung, Unterkunft und Bildung ab. 

Anders als z.B. die von der Weltbank definierte extreme Armut mit einem Einkommen von 2,15 US-Dollar pro Tag können existenzsichernde Einkommen und Löhne nicht global in einer einzelnen Zahl erfasst werden, sondern müssen für den jeweiligen Kontext lokal berechnet werden. Dies macht die Berechnung komplex, zeit- und kostenaufwendig.

Warum steht das Thema so im Fokus? 

Während die Mindestpreise für Lebensmittel im Fairen Handel und auch die Preise für Handwerks-Produkte vielfach auf Basis der nationalen Mindestlöhne berechnet wurden, erkennen wir heute an, dass diese Berechnungsmethode dem Anspruch nach einem existenzsichernden Einkommen meist nicht mehr gerecht wird.

Hintergrund: Die Diskrepanz zwischen nationalen Mindestlöhnen und existenzsichernden Löhnen und Einkommen hat sich in den letzten Jahren zunehmend vergrößert (u.a. wegen Inflation und globalen Krisen). In vielen Ländern reicht der offiziell festgelegte, nationale Mindestlohn nicht (mehr) aus, um die nachhaltigen Lebenshaltungskosten einer Familie zu decken.

Daher müssen die nachhaltigen Lebenshaltungskosten (= existenzsichernde Löhne und Einkommen) einer Familie in ihrem jeweiligen Kontext berechnet werden, auch wenn dies mit einem größeren Aufwand verbunden ist.

Was verstehen wir unter einem existenzsichernden Einkommen und Lohn?

Die GEPA orientiert sich hier an den Definitionen der Living Income Community of Practice sowie der Global Living Wage Coalition. 

  • Existenzsicherndes Einkommen (= Living Income)
    Unter einem Living Income versteht man das Netto-Jahreseinkommen eines Haushalts, das ausreicht, um allen Mitgliedern des Haushaltes einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Die Berechnung des Einkommens bezieht sich in der Regel auf selbstständige Kleinbäuer*innen oder Produzent*innen. Für ein menschenwürdiges Leben muss dieser Haushalt ein Einkommen erwirtschaften, das nicht nur die Kosten für Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Wasser und Unterkunft abdeckt, sondern auch Ausgaben für Bildung, medizinische Versorgung, Transport, Kleidung sowie Rücklagen für Notsituationen ermöglicht.
    (Quelle: Living Income Community of Practice)
     
  • Existenzsichernder Lohn (= Living Wage)
    Mit einer Living Wage ist die Vergütung einer abhängig Beschäftigten Person gemeint. Basis für die Vergütung ist eine Standard-Arbeitswoche, die 48 Stunden nicht übersteigt. Sie soll die grundlegenden Bedürfnisse einer Beschäftigten Person und derer Angehörigen ausreichend berücksichtigen und Rücklagen ermöglichen. Zu einem angemessenen Lebensstandard gehören beispielsweise Nahrung, Wasser, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport und Kleidung sowie Rücklagen für unvorhersehbare Ausgaben.”
    (Quelle: Global Living Wage Coalition)

Was tut die GEPA?

Die GEPA setzt sich aufgrund dieser Entwicklungen seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema „Existenzsichernde Löhne und Einkommen“ auseinander. Dies beinhaltet u.a. eine aktive Mitarbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen, Entwicklung von Berechnungsmethoden, Durchführung von Pilotprojekten sowie Austausch mit Initiativen, die zu diesen Themen arbeiten.

Konkret und aktuell:

Fairtrade International hat für einige Produkte und Länder sogenannte „Living Income Reference Prices“ (LIRP) berechnet und veröffentlicht. 2022 wurden diese Referenzpreise z.B. für Kaffee aus Uganda und Kolumbien berechnet.

Living Income: Beispiel Kaffee

Wir zeigen am Beispiel von Kaffeekooperativen aus Kolumbien und Uganda, wie ein existenzsicherndes Einkommen für diese GEPA-Partner aussieht. 

Für Uganda und Kolumbien hat Fairtrade International 2022 die neuen Referenzpreise für existenzsichernde Einkommen von Kaffeebäuer*innen entwickelt. Wir haben diese LIRPs mit den Preisen verglichen, die unsere Partnerkooperativen COSURCA (Kolumbien, Arabica), Bukonzo Joint, MEACCE (Uganda, Arabica) und ACPCU (Uganda, Robusta) 2022 den Kleinbäuer*innen ausbezahlten. Basis dafür waren die Preise, die die GEPA den Kooperativen gezahlt hat.

Fazit: Der Preis für den Arabica-Kaffee unserer Partnergenossenschaften in Kolumbien und Uganda lag bereits 2022 über dem berechneten LIRP von Fairtrade International.

Beispiel COSURCA (Kolumbien):

  • 320 US-Dollar hat die GEPA 2022 an COSURCA für 100 amerikanische Pfund Bio-Arabica (45,36 kg) inkl. Bioprämie gezahlt. Zum Vergleich: Der errechnete LIRP für 100 amerikanische Pfund, der an eine Genossenschaft in Kolumbien gezahlt wird, liegt zwischen 196 und 221 US-Dollar. Der GEPA-Preis an COSURCA liegt also bis zu 63,3 Prozent über LIRP (bei 196 US-Dollar als Bezugsgröße).
     
  • Von diesen insgesamt 320 US-Dollar hat COSURCA 282 US-Dollar pro 100 amerikanische Pfund an die Kaffeebäuer*innen ausbezahlt.

Beispiel MEACCE und Bukonzo Joint (Uganda):

  • 310 US-Dollar inkl. Bioprämie hat die GEPA 2022 jeweils an die ugandischen Kaffeekooperativen Bukonzo Joint und MEACCE für 100 amerikanische Pfund Bio-Arabica (45,36 kg) gezahlt. Zum Vergleich: Der LIRP für 100 amerikanische Pfund Arabica, der an eine ugandische Genossenschaft gezahlt wird, liegt bei 222 US-Dollar. Der GEPA-Preis an MEACCE und Bukonzo Joint liegt also 39,6 Prozent über LIRP.
     
  • Von diesen jeweils 310 US-Dollar haben die beiden Kaffeegenossenschaften 226 US-Dollar pro 100 amerikanische Pfund an die Kaffeebäuer*innen ausbezahlt.


Living Wage: Beispiel Handwerk

Bereits 2016/17 hat die GEPA gemeinsam mit insgesamt 13 Handwerkspartnern eine Berechnung von existenzsichernden Löhnen durchgeführt. Das Ergebnis war bei 11 Partnern sehr zufriedenstellend. Nur in zwei Fällen lag der Preis, den die GEPA an die Partner gezahlt hat, unterhalb des existenzsichernden Lohns für die Produzent*innen, hier haben wir schrittweise die Bezahlung an den Handelspartner erhöht. 

2023/24 hat die GEPA mit einigen EFTA-Mitgliedern erneut in einem gemeinsamen „Living Wage Pilotprojekt“ existenzsichernde Löhne mit weiteren Handwerks-Partnern berechnet.

Hier zwei konkrete Beispiele:

  • SOAP-n-SCENT:
    Hier liegt die Bezahlung an die Mitarbeiter*innen von SOAP-n-SCENT mit 2 % knapp über dem existenzsichernden Lohn in Chiang Mai, Thailand.
     
  • ACP:
    Bei ACP erhalten die Mitarbeiter*innen sogar einen Lohn, der 50-60 % über dem existenzsichernden Lohn in Katmandu, Nepal liegt.

Es gibt auch Partner, bei denen die Bezahlung noch keinem existenzsichernden Lohn oder Einkommen entspricht. Hier sind wir mit den jeweiligen Handelspartnern im Gespräch, um gemeinsam zu Lösungen zu kommen, z.B. durch die schrittweise Angleichung des FOB-Preises. FOB (Free on Board) ist die Zahlung an die Genossenschaften inkl. Kosten für Verwaltung und Transport bis zum Hafen).


Wie geht es weiter? 

Wir werden nach und nach Berechnungen von Living Incomes z.B. bei unseren Kaffee-, Kakao-, Honig- und Wein-Partnern auf Basis von bekannten Fairtrade Living Income Referenz-Preisen (LIRP) bzw. Benchmarks analysieren sowie Living-Wage-Berechnungen zusammen mit unseren Handwerks-Partnern durchführen.

Ein realistisches und gewolltes Ziel der GEPA ist es, sich schrittweise, aber konsequent dem Ziel der Zahlung von existenzsichernden Löhnen und Einkommen zu nähern.

Auch außerhalb der Fair Handels-Bewegung gewinnt das Thema der existenzsichernden Löhne immer mehr an Bedeutung und gehört derzeit zu einem der zentralen entwicklungspolitischen Themen. 

Aus Sicht der GEPA muss die Zahlung eines existenzsichernden Lohns und Einkommens langfristiges Ziel aller Akteure des Fairen Handels sein. Diese Verantwortung kann nicht allein bei den GEPA-Handelspartnern und der GEPA liegen, sondern betrifft die gesamte Kette mit allen Akteuren. Genauso müssen Kund*innen (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) bereit sein, durch ihren bewussten Konsum die Zahlung von existenzsichernden Löhnen und Einkommen zu unterstützen.

Darin liegt eine der größten Herausforderungen des Fairen Handels: in einem kommerziellen und von Wettbewerb geprägtem Umfeld unserem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Die aktuellen Entwicklungen (steigende Inflationsraten, Energiekrisen) machen es uns nicht einfacher, existenzsichernde Löhne und Einkommen zu zahlen. 

Aber es gehört zu unserem Selbstverständnis seit bald 50 Jahren, dass wir uns schwierigen Aufgaben stellen und nach Lösungen suchen, die sozial und ökonomisch nachhaltig sind.

Stand 11/2024

WEITERE INFORMATIONEN

Mehr zu LIRP auf fairtrade.net:
Living Income Reference Prices

Mehr über COSURCA (Kolumbien)
in unserer Handelspartner-Darstellung

Mehr über MEACCE (Uganda)
in unserer Handelspartner-Darstellung

Mehr über Bukonzo Joint (Uganda)
in unserer Handelspartner-Darstellung

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 | Foto:  | Foto:  | Foto: GEPA - The Fair Trade Company/C. Nusch

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 | Foto: GEPA - The Fair Trade Company/A. Welsing