Kaffeeproduzentinnen mit Versöhnungsanspruch

So arbeitet die Frauenorganisation von
KOPAKAMA den Genozid in Ruanda auf

Reportage von Knut Henkel

KOPAKAMA heißt die Kaffeekooperative ganz im Westen Ruandas, wo Frauen eine zentrale Rolle spielen. Knapp fünfzig Prozent der Mitglieder sind weiblich und haben sich im Projekt „Ejo Heza“ organisiert. Das hat nicht nur steigende Kaffee-Erträge zum Ziel, sondern tritt auch für die Stärkung der Frauenrechte und Versöhnung ein – um die offenen Wunden nach dem Genozid von 1994 zu schließen.

Grace Mukamana wirft einen zufriedenen Blick auf ihre Kaffeesträucher. Weiße Kaffeeblüten sind fast an jedem Strauch zu sehen, die an einem Feldweg am Ortsausgang von Mushubati stehen. „Eigentlich habe ich 3.000 Pflanzen. Doch 400 sind mir bei den letzten Unwettern mit den Überschwemmungen im Mai kaputtgegangen. Die muss ich nun ersetzen“, sagt die 43-jährige Ruanderin und blickt etwas mürrisch auf die verbleibenden Kaffeesträucher. Die stehen auf einem abfallenden Hang in der Sonne und wiegen sich im lauen Wind, der heute Morgen im Distrikt ganz im Westen Ruandas, nahe des Kivusees, herrscht.

Es ist Ende September, die nächste Kaffeeernte beginnt im Februar und die Blütenpracht ist ein gutes Omen. „Aus jeder Blüte entsteht eine Kaffeekirsche und wir hoffen nach Jahren mit sinkenden Erträgen endlich wieder auf eine gute Ernte“, erklärt Innocent Irankunda. Der 32-jährige Agronom berät Grace Mukamana beim Anbau und hat ihr auch die Setzlinge besorgt, von denen die ersten im unteren Teil des einen Hektar großen Feldes zu sehen sind.

Frauen spielen eine wichtige Rolle bei KOPAKAMA

Mit einem Hektar Anbaufläche ausschließlich für Kaffee ist Grace Mukamana eine der größeren Produzentinnen der Genossenschaft KOPAKAMA. „Das Gros unserer 1.060 Mitglieder, davon 477 Frauen, bauen auf deutlich kleineren Flächen von 0,25 Hektar und weniger an“, erklärt Innocent Irankunda.

Der drahtige Mann mit dem penibel gestutzten Vollbart ist regelmäßig auf den kleinen Parzellen der Bio-Bäuer*innen unterwegs und gibt Tipps, was seit dem Ende der Ernte Mitte Juli zu tun ist. Grace Mukamana hat beispielsweise für reichlich Biomasse unter den Kaffeesträuchern der Arabica-Sorte Bourbon gesorgt. Gehäckselte Bananenblätter, auch etwas Mist, ist im Wurzelbereich zu sehen und auch bei näherer Betrachtung der schlanken, hochgewachsenen Kaffeesträucher ist keine Spur von Pilz- oder sonstigem Schädlingsbefall zu sehen. Davon hat sich auch Agronom Irankunda überzeugt, der etliche der 438 Bio-Produzent*innen der KOPAKAMA-Genossenschaft betreut – viele davon Frauen.

Die spielen in der Genossenschaft ohnehin eine zentrale Rolle und das hat Gründe. „Wir Frauen haben mit Ejo Heza unsere eigene Organisation, arbeiten zusammen, schulen uns gegenseitig und produzieren unseren Kaffee meist gemeinsam“, erklärt Grace Mukamana. Die Mutter von fünf Kindern baut seit 2011 Kaffee an und ist ein Gründungsmitglied der Frauenorganisation innerhalb von KOPAKAMA.

Eigene Frauenorganisation „Ejo Heza“ 

Ejo Heza heißt so viel wie bessere Zukunft, ist jedoch viel mehr als eine Organisation von und für Kaffeebäuerinnen. Sie hat ihren Teil dazu beigetragen, die tiefen Gräben zwischen Frauen von Opfern und Tätern des Genozids von 1994 in Ruanda zuzuschütten. „Als wir 2011 unsere Arbeit begannen, trafen Hutu- und Tutsi-Frauen aufeinander, darunter viele Witwen, aber auch Frauen von Männern, die am Genozid teilgenommen hatten und im Gefängnis saßen. Das war die Ausgangslage“, erklärt Grace Mukamana etwas später im Auto auf dem Weg zur Genossenschaft.

Die befindet sich auf einem Hügel mit Blick auf das darunter liegende Dorf, Trocknungsbetten hinter dem Eingangstor springen als erstes ins Auge. Darauf landen die Kaffeebohnen, nachdem sie die links daneben liegende Waschstation passiert haben, wo die Kaffeekirschen entpulpt werden. Daneben befindet sich ein Haus, auf deren Terrasse ein gutes Dutzend Frauen sitzt: „Das sind die Deligierten der einzelnen Gruppen von Ejo Heza“, erklärt Grace Mukamana, grüßt in die Runde und verabschiedet sich.

Sie will sich um neue Setzlinge aus der weiter oben liegenden Baumschule kümmern und verweist mich an Bette Uwimana, Koordinatorin von Ejo Heza und zugleich die Schatzmeisterin des Kreditprogramms. „Wir unterstützen uns gegenseitig und unser Kreditprogramm ist ein Beispiel dafür. Frauen, die nach einer schlechten Ernte das Schulgeld für die Kinder nicht zahlen können, wenden sich an uns“, erklärt die Frau von Anfang dreißig, die damit zu den jüngeren gehört. Andere sind wie Odementine deutlich älter und loben die Einheit in der Gruppe, die ein Ergebnis des Versöhnungsprozesses ist. Dieser setzte 2011 mit der Gründung von Ejo Heza ein.

Vor allem Frauen brachten den Wiederaufbau auf den Weg

Das sorgt für Austausch, Diskussion und das Ausräumen von Vorurteilen.Odementine, Mitglied Ejo Heza

Die Frauenorganisation innerhalb der Genossenschaft wurde mit dem Anspruch gegründet, den Anteil der Frauen in der Genossenschaft zu erhöhen und einen Beitrag zur nationalen Versöhnung nach dem Genozid 1994 zu leisten. „Damals waren es die Männer, die für den Kaffeeanbau zuständig waren. Frauen hatten keine Landtitel, mussten aber viele Familien ernähren, wo die Männer getötet worden waren oder im Gefängnis saßen“, erklärt Justin Tuyisenge, Leiter für Anbau und Zertifizierung bei KOPAKAMA, eine wegweisende Entscheidung seiner Vorgänger.

Gegründet wurde die Genossenschaft 1998, vier Jahre nach dem Genozid, mit 47 Genossen – allesamt Männer. Doch Frauen waren es vor allem, die den Wiederaufbau nach dem Genozid mit, je nach Quelle, zwischen 800.000 und 1,2 Millionen überwiegend männlicher Opfer auf den Weg brachten. Deshalb war die Versöhnung in Regionen wie Mushubati, wo die Ethnien der Hutu und Tutsi annähernd gleich groß waren, extrem wichtig. Bei Ejo Heza hat sie funktioniert. Unter anderem, weil die Frauen aufeinander angewiesen waren, gemeinsam auf den rund zwei, drei Hektar großen Feldern, die den Frauen der Genossenschaft vorbehalten sind, arbeiten, ernten und neue Anbautechniken ausprobieren. „Das sorgt für Austausch, Diskussion und das Ausräumen von Vorurteilen, Vorbehalten und körperlicher wie seelischer Verletzungen“, erklärt Odementine, deren Gesicht von mehreren Narben gezeichnet ist.

Regierung tritt für Frauenrechte ein

Gefördert hat diesen Versöhnungsprozess die Regierung von Präsident Paul Kagame, der seit April 2000 im Amt ist und zunehmend autoritär regiert. Dessen Regierung tritt für Versöhnung, Frauenrechte und deren Förderung ein. Das hat zumindest indirekt dazu geführt, dass KOPAKAMA heute eine Genossenschaft ist, in der Frauen zentrale Positionen einnehmen und exzellenten Kaffee produzieren. KOPAKAMA hat mehrere Preise erhalten, von einem Kunden erhält das Frauenprojekt Ejo Heza sogar eine Sonderprämie. Auch die GEPA gehört zu den langjährigen Kunden – nicht zuletzt aus Solidarität mit dem Frauenprojekt. Für die Zertifizierung bei KOPAKAMA ist Marie Izerwe Tuyishime zuständig. Sie hat gerade alle Hände voll zu tun, um ein neues Naturland-Siegel zu implementieren. Das wird mit Hilfe der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Ruanda in mehreren Biokaffee produzierenden Genossenschaften eingeführt, darunter KOPAKAMA.

Verjüngung auf dem Feld und in der Genossenschaft 

Mit dem Fairtrade-Siegel, das sowohl an der Stromleitung, die dank Prämien installiert wurde, aber auch an der Trockenmühle der Genossenschaft klebt, dem Bio-Siegel und dem der Rainforest Alliance verfügt KOPAKAMA aktuell über drei Zertifizierungen. Das ist ein Vorteil, um Kund*innen zu erreichen.

Durch das Naturland-Siegel, das neu hinzukommen soll, werden zudem das Anpflanzen von Schattenbäumen sowie Agroforstsysteme gefördert. Instrumente, die gegen die allgegenwärtige Erosion in Ruanda vielversprechend sind, so Agrarexpertin Tuyishime. Ursachen für die Erosion seien zum einen der weitverbreitete Anbau an Steilhängen und zum anderen der zunehmende Starkregen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Tuyishime gehört zum Team um Geschäftsführer Valens Ndereyimana und Anbauexperte Justin Tuyisenge, der von Termin zu Termin eilt.


Seminar für 300 junge Kaffeebäuer*innen

Heute findet nämlich das Schulungsseminar für den kaffeeanbauenden Nachwuchs weiter oben in der Veranstaltungshalle der Genossenschaft statt. Rund dreihundert Kaffeebäuer*innen, davon etwa die Hälfte Frauen, lauschen den Referent*innen und lernen, wie sie ihren Anbau nachhaltig sowie biologisch gestalten und zugleich gute Erträge generieren können. Das ist für die Kleinbäuer*innen, die oft nur 200 Kaffeesträucher – manchmal 700 wie die junge Kaffeebäuerin Xavera Nsabimano – in ihrer Parzelle angepflanzt haben, das A und O. Kaffee ist gemeinsam mit Tee das wichtigste Exportprodukt Ruandas, bringt Devisen und der Anbau wird von der Regierung in Kigali gefördert.

KOPAKAMA braucht eine „doppelte Verjüngung“

Für die rückläufige Produktion ist der Klimawandel verantwortlich.Valens Ndereyimana, Geschäftsführer

Allerdings ist die Produktion bei KOPAKAMA rückläufig. Das hat laut Geschäftsführer Valens Ndereyimana zwei zentrale Ursachen: „2017 haben wir noch gut zehn Container exportiert, 2023 werden es gerade fünf sein. Dafür ist der Klimawandel verantwortlich, aber auch das Alter der Kaffeepflanzen und unserer Genoss*innen. Wir brauchen eine doppelte Verjüngung."

Deshalb ist KOPAKAMA mit dem dreitägigen Seminar über Kaffeeanbau und die Anforderungen der Abnehmer*innen in die Offensive gegangen und versucht junge Bäuer*innen zu schulen und zu fördern. Das und die Aufforderung an die älteren Kaffeebäuer*innen, ihre Pflanzen zu verjüngen, soll in den nächsten Jahren wieder für wachsende Erträge sorgen. Dafür sind die Agrarberater*innen bei KOPAKAMA wie Innocent Irankunda regelmäßig unterwegs, suchen die Genoss*innen auf und bieten Hilfe bei der Lieferung von Setzlingen an, die peu à peu die älteren Pflanzen ersetzen sollen. „Doch das ist in der Realität gar nicht so einfach, denn es dauert drei Jahre, bis die neuen Kaffeepflanzen tragen. So lange kann kaum ein Bauer oder eine Bäuerin in Ruanda auf die Einnahmen aus dem Kaffee verzichten“, schildert Irankunda das Dilemma.

Jedes Jahr soll ein Zehntel der Kaffeepflanzen erneuert werden

Derartige Beispiele machen Schule unter den Frauen.Innocent Irankunda, Agrarberater

Das alternative Konzept lautet deshalb, jedes Jahr zehn Prozent der Kaffeepflanzen zu erneuern und sie durch neue gegen Schädlinge resistentere Bourbon-Varianten aus dem staatlichen Agrarfonds zu ersetzen. „Das funktioniert“, meint Irankunda und verweist auf das Beispiel von Grace Mukamana. Sie wird alle durch die Überschwemmungen im Mai verlorenen Kaffeepflanzen bis zum Jahresende durch neue Setzlinge ersetzt haben. „Derartige Beispiele machen Schule unter den Frauen“, ist sich Irankunda sicher. Er ist froh, dass zu den aktuellen Projekten der Frauen auch das Mulchen der Flächen mit den Kaffeesträuchern gehört, wodurch Nährstoffe und Feuchtigkeit gebunden werden. Bei Grace Mukamana ist das auf der Parzelle nicht zu übersehen.

Stand 12/2023

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