Katrien Kloos von unserer niederländischen Partnerorganisation FTO hat in Guatemala verschiedene Untergenossenschaften des Verbandes FEDECOCAGUA besucht – das Jubiläum des "Indio-Kaffees" wird auch in den NIederlanden gefeiert. Gehen Sie mit ihr auf die Reise und lernen Sie unsere Partner besser kennen:
Wir sind auf dem Weg zu Leonarda Isabel Cobón. Sie ist Mitglied bei der Genossenschaft San José El Obrero in der Region Huehuetenango. Sowohl ihr kompletter Kaffee als auch der der anderen Genossenschafts-Mitglieder ist Fairtrade-zertifiziert. San José El Obrero gehörte zu den Gründungsgenossenschaften von FEDECOCAGUA. Zunächst hatten sich kleine Kooperativen gegründet, die sich dann später zu dem großen Verband FEDECOCAGUA zusammengeschlossen haben.
San José El Obrero liegt eine Stunde entfernt von der Hauptstraße nach La Democratica. Der Weg dorthin ist recht beschwerlich und es geht über steile Serpentinen.
Umso schöner ist es, als wir kurz vor dem Dorf den kleinen Weg sehen, der zu Leonardas Haus führt. Im Hof stehen auch die Nassverarbeitungsanlage und der Sammelplatz für Leonardas Ernte. Die Terrasse wirkt mit ihren zahlreichen Blumenkübeln hübsch und einladend. Hinterm Haus machen in diversen Ställen die Hühner und Hähne ziemlichen Lärm. Vom Hof aus bietet sich durch bunte Blumensträucher eine schöne Aussicht auf Leonardas Kaffeepflanzung und das dahinterliegende Tal.
Auch ein kleines Gewächshaus aus durchsichtigem Plastik ist zu sehen. Hier trocknet Leonarda ihren Kaffeebohnen, wenn das Wetter schlecht ist. Ein Experiment, wie sie später erzählt. Für den Eigenbedarf bauen Leonarda und ihr Mann Christobal noch Mais und Bohnen an.
Vier Sorten Arabica-Kaffee wachsen auf den vier Hektar Land. Aber Leonarda ist nicht „nur“ Kaffeebäuerin, sie hat auch zwei Leitungsfunktionen in der Genossenschaft inne: Die 57-Jährige ist sowohl Mitglied im Aufsichtsrat als auch in der Kreditkommission. Das sind innerhalb der Genossenschaft bedeutende Gremien, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden.
Ihre Arbeit in der Kreditkommission führt sie beispielsweise zu den Mitgliedern der Genossenschaft, die Geld leihen möchten. Leonarda schätzt dann ab, ob die Höhe des gewünschten Kredites im Verhältnis steht zu der erwartenden Menge an Kaffee, der Bauer dafür liefern kann. "Ich wollte schon immer wissen, wie die Genossenschaft arbeitet. Auf einem Treffen wurde ich schließlich als Kandidatin aufgestellt und gewählt. Im Moment sind unter den insgesamt 17 Leitungsmitgliedern zwei Frauen - eine davon bin ich."
Und darauf ist sie auch besonders stolz. Zu Recht, wenn man bedenkt, dass sie trotz ihrer einfachen Schulbildung – sie besuchte nur zwei Jahre die Grundschule – so viel gelernt hat. Über eine Initiative der katholischen Kirche macht sie auch anderen Frauen bewusst, wie wichtig es gerade für Frauen ist, sich weiterzubilden und dass dafür überhaupt die Möglichkeit besteht.
Leonarda hat den Kaffeeanbau quasi mit der Muttermilch aufgesogen – schon ihre Eltern waren Kaffeebauern. Auch ihr Mann Christobal kommt aus einer Kaffeefamilie.
Leonarda war eines von sechs Kindern und ihre Eltern bauten den Kaffee sehr einfach an: Sie entfernten das Fruchtfleisch der Kaffeekirschen mit einem Mahlstein und wuschen die Kaffeekirschen im Fluss. Danach wurde der Kaffee in einer Holzkiste fermentiert, hier konnte er gut gären. "Mein Vater ist jetzt 87 Jahre alt und arbeitet immer noch auf diese Weise."Wie viele andere Kaffeebauern ist auch Leonardas Mann insgesamt fünfmal in die USA gegangen, um Geld zu verdienen. In dieser Zeit kümmerte sich Leonarda alleine um den Kaffeeanbau. "Ich wurde Mitglied in der Genossenschaft, weil ich dringend einen Kredit brauchte, um das Haus zu erweitern", erinnert sie sich. Das ist ihr auch gelungen: Früher hatten sie eine Küche und ein Zimmer – heute ist Leonarda stolz darauf vier Zimmer in ihrem Haus zu haben.Nicht nur den Kredit hat Leonarda über die Genossenschaft bekommen, auch die Fort- und Weiterbildungen waren wichtig, um die Produktivität und die Qualität ihres Kaffees zu steigern. Leonarda konnte über die Genossenschaft zum Beispiel Trainingskurse über Landbautechniken besuchen.
Heute hat Leonarda selbst neun Kinder im Alter zwischen 14 und 37 Jahren. Davon arbeiten sechs in den USA. Sie tun das mit dem Ziel, genug Geld zu verdienen, um wieder nach Hause zurückzukehren und Land zu kaufen für den Kaffeeanbau. Leonarda erklärt: "Die Tradition sieht vor, dass das Land der Eltern nach deren Tod an die Kinder verteilt wird. Aber mit vier Hektar Land und neun Kindern gibt es nicht viel zu Verteilen, deshalb ist es wichtig, dass die Kinder ihr eigenes Geld verdienen." Leonardas ältester Sohn Alex ist inzwischen zurück aus den Vereinigten Staaten. Er kaufte ein Stück Land in der Nähe, baut jetzt selbst Kaffee an und verdient damit sein Einkommen.
Als wir Leonarda und ihre Familie besuchen ist gerade Erntezeit. Entsprechend viel los ist um uns herum. Leonarda und ihr Mann schaffen nicht alles alleine, deshalb haben sie im Moment noch zehn Erntehelfer. Sie pflücken den Kaffee und bringen ihn in Säcken zu Leonardas Grundstück. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn Alex startet Leonarda die Nassverarbeitung:
Die Kaffeekirschen gehen in Wasserbehälter, der ratternde Zylinder entfernt das Fruchtfleisch und im langen Kanal wird der gute vom weniger guten Kaffee getrennt. Danach wird der nasse Pergamentkaffee auf dem Dach des Hauses zum Trocknen ausgebreitet.
Auch die Nachbarn, Christobals Bruder und seine Familie, sind den ganzen Tag mit der Ernte und Verarbeitung des Kaffees beschäftigt. Inzwischen laufen ungefähr fünf Kleinkinder herum und Tochter Saydy backt Maisfladen in der Küche für das Mittagessen.
Das wünscht sich Leonarda für die Zukunft: "Meine Kinder sollen genügend Geld sparen, um eigenes Land für ihren Kaffeeanbau kaufen zu können. Der Kaffeeanbau soll ihnen so viel Einkommen bescheren, dass sie davon gut leben können."
Fotos von oben: Header und Foto 1: Jeroen Simons, Foto 2: FTO
Stand 02/2013