Reportage von Knut Henkel
Brasilien ist die Nummer eins auf dem Orangensaft-Weltmarkt. Drei Konzerne dominieren das Geschäft mit den aromatischen Früchten. Für kleine Genossenschaften wie COOPEALNOR ist da eigentlich kein Platz. Trotzdem haben sich rund 80 Kleinbäuer*innen in der Region von Río Real im Bundesstaat Bahia zusammengeschlossen und beliefern europäische Abnehmer wie die GEPA. Die Perspektiven sind gerade alles andere als rosig. Doch das kann sich wieder ändern.
Jairo de Souza Rios nimmt die dunkle Sonnenbrille ab, lüftet das Tuch und die Mütze, die ihn vor der gleißenden Sonne schützen, und begrüßt die Besucher*innen im Schlepptau von Aldo de Souza. Es ist noch relativ früh am Morgen am Rande von Río Real, einer Kleinstadt im Norden des brasilianischen Bundessstaats Bahia, wo sich fast alles um den Anbau und die Weiterverarbeitung von Orangen dreht.
Die Region zählt nach der Umgebung von São Paulo zu Brasiliens wichtigsten Anbaugebieten für Zitrusfrüchte und anders als dort ist die Landkonzentration in und um Río Real nicht ganz so extrem. Etwa 3.000 Kleinbäuer*innen gibt es rund um die Kleinstadt und die verkaufen ihre Ernte meist an Zwischenhändler, die sie an die großen Saftunternehmen verhökern.
Drei sind es, die den brasilianischen Markt, den weltweit wichtigsten, dominieren: die beiden brasilianischen Fruchtkonzerne Cutrale und Citrosuco sowie die niederländische Louis Dreyfus Company (LDC). Letztere zählt zu den „Big Four“ im internationalen Agrarhandel.
An die Zwischenhändler, intermediários, hat auch Jairo de Souza Rios ein paar Jahre lang seine Orangen verkauft, bis er sich eines Besseren besann: „Sie zahlen meist sehr niedrige, tagesaktuelle Preise. So hat man keine Chance, die Einnahmen zu kalkulieren, null Planungssicherheit. Deshalb habe ich mich entschieden, COOPEALNOR beizutreten, wo wir unsere Orangen gemeinsam vermarkten und deutlich bessere Preise erzielen“, erklärt er im Schatten eines kräftigen Orangenbaums.
Dort hat er gemeinsam mit Aldo de Souza, Geschäftsführer von COOPEALNOR, Schutz vor der Sonne gesucht, die auch schon morgens um zehn erbarmungslos brennt. Kaum größer als 1,80 Meter sind die Orangenbäume und somit einfach für die Pflücker und die wenigen Pflückerinnen abzuernten. In langen Reihen stehen sie auf der Farm, an dessen Eingang ein verwittertes Blechschild mit dem Aufdruck „Sítio Rios“ hängt. Darunter steht „Código 060“, der Name von Jairo de Souza Rios und mehrere Logos, unter anderem das von Fairtrade und der Regionalregierung, sind aufgedruckt.
„So ein Schild steht am Eingang von all unseren Mitgliedern und regelmäßig kommen die Inspekteur*innen, um die Einhaltung der Fairtrade-Vorgaben zu überprüfen“, erklärt Geschäftsführer Aldo de Souza und blinzelt in die Sonne. 82 Mitglieder hat die 2007 gegründete Genossenschaft, mit der die GEPA von Anfang an zusammenarbeitet.
Jairo de Souza Rios gehört seit 2013 zur Genossenschaft. Die Entscheidung hat er nie bereut. „Dank besserer Preise für unsere Orangen aus Fairem Handel und effektiver technischer Beratung hat sich meine Situation bis 2020 verbessert. Obendrein haben wir die Fairtrade-Prämie in unsere Infrastruktur investiert: in die Sortieranlage in Río Real, in Maschinen wie den Traktor zum Sensen des Unkrauts unter den Orangenbäumen, ein Schulprojekt, aber auch in die Büros und in die Qualifizierung unserer Techniker“, schildert er die Entwicklung. Von der Fairtrade-Prämie der GEPA wurde 2021 zudem die Einstellung eines technischen Beraters für Umweltschutz und Anbau finanziert, ein Aufklärungsprojekt rund um Gesundheit der Frauen, aber auch die Optimierung von Arbeitssicherheits- sowie Corona-Präventionsmaßnahmen.
Die effektive Verwendung der Fairtrade-Prämie hat dazu beigetragen, dass der 39-jährige Orangenbauer vor sechs, sieben Jahren mit seiner Frau Hevellyn entschieden hat, auf Bio-Anbau umzustellen. Geholfen haben ihm dabei Geschäftsführer Aldo de Souza, ausgebildeter Agronom, und der Agrartechniker Antõnio Dantas de Brito. Sie haben ihn, genauso wie rund zwei Dutzend weitere Genoss*innen, bei der Umstellung beraten, kurbeln den Ausbau der Bio-Produktion bei COOPEALNOR an und helfen auch mit Tipps gegen die negativen Effekte des Klimawandels. Der macht sich mit mehr Sonnenstunden und weniger Niederschlägen bemerkbar, so dass hier und da Schattenbäume, aber auch nährstoffbindende Pflanzen zwischengepflanzt werden.
Für Jairo de Souza Rios die richtige Zukunfts-Strategie: „Ich genieße es, über meine Farm zu gehen und alles bedenkenlos verzehren zu können“, erklärt er und schneidet purpurrote Drachenfrüchte in appetitliche Happen und verteilt sie an die Besucher*innen. 45 Obstsorten darunter Papaya, Mango und Ananas baut er neben Kokosnüssen und eben Orangen auf seiner 3,6 Hektar großen Farm an.
Davon kann das kinderlose Ehepaar leben, allerdings seit dem Beginn der Pandemie schlechter. „Die Preise für unsere Fair Trade-Orangen und die für konventionelle Orangen liegen pro Tonne auf dem lokalen Markt in Brasilien nur marginal auseinander“, so Jairo de Souza Rios. Die sinkende Wertschätzung für die Fair Trade-Orangen nervt den hageren Mann, der alles alleine macht und nur zur Ernte zehn Orangenpflücker*innen anstellt, die nach den Vorgaben des Siegels fair bezahlt werden. „Zwischenzeitlich war die Nachfrage so mies, dass wir Premium-Ware hin und wieder auch zum konventionellen Preis lokal verkaufen mussten“, schildert COOPEALNOR-Geschäftsführer de Souza die schwierige Situation.
Deutlich attraktiver ist der Export von Fruchtsaftkonzentrat auf den europäischen Markt, wo zwischen 1.200 und 1.400 Reias pro Tonne gezahlt werden, umgerechnet 221 bis 258 Euro (Stand: 19.04.2023), so de Souza wenig später auf dem Weg zur Zentrale der Genossenschaft in Río Real, wo Domingos Cardoso de Avila auf uns wartet.
Der Sprecher und amtierende Präsident der Genossenschaft, die über insgesamt 586 Hektar Anbaufläche verfügt, steht in einem der fünf Betontrichter, die zur Orangen-Sortieranlage der Kooperative COOPEALNOR gehören. Die aus Beton gegossenen Trichter haben Gefälle und so kullern die Orangen, die am oberen Rande des Trichters vom LKW abgeladen werden, nach unten, wo sie vom Fließband zur Sortierstation transportiert werden. Hier und da stockt der Nachschub und dann hilft der schlaksige 68-Jährige mit einem weichen Besen nach, schiebt die Orangen Richtung Transportband.
Weiter oben an der Sortierstation stehen ein Mann und eine Frau und sortieren mit Kennerblick beschädigte oder auch zu große Zitrusfrüchte aus. Nur Premium-Ware soll auf dem LKW landen, der am Ende des Fließbands steht und noch heute in der Saftfabrik Tropfruit erwartet wird. Der satte Duft von reifen Zitrusfrüchten, viele gelb, etliche leuchtend orange, manche grün, hängt in der Luft der geräumigen Halle.
Zwei LKW werden gerade beladen, vier, nein fünf stehen – bis oben beladen mit Orangen und warten vor der Halle auf ihre Abfertigung. „Während der Ernte ist das normal. Dann packen alle mit an, weil es darum geht, ausreichend Orangen zu Tropfruit im Nachbarort Estancia zu bringen, damit sie in einem Rutsch für unsere Genossenschaft ausgepresst und nicht mit Orangen von anderen Produzent*innen gemischt werden“, erklärt Cardoso de Avila. (Anmerkung der Redaktion: Diese getrennte Verarbeitung trägt entscheidend dazu bei, dass die Lieferkette für GEPA-Orangensaft transparent nachvollziehbar ist. Mehr dazu unter: www.gepa.de/ohne-mengenausgleich).
Dann gibt er den Besen weiter an einen seiner beiden Söhne, die in der Sortieranlage arbeiten, und weist den Weg in eine ruhige Ecke der geräumigen Halle, auf deren Rückseite sich die Büros der Genossenschaft befinden. „In diesem Jahr erwarten wir eine ähnlich gute Ernte wie im letzten Jahr. Allerdings machen uns die um rund achtzig Prozent gestiegenen Kosten für Diesel, Container, aber auch Düngemittel und Verpackungsmaterial zu schaffen“, erklärt der Orangenbauer mit rauher, knarziger Stimme. „Das zehrt an unseren Rücklagen, dämpft seit 2020 die Stimmung. Hinzu kommt, dass die Regierung Bolsonaro die Förderprogramme für Kleinbäuer*innen eingedampft hat“, schildert Cardoso de Avila die beiden Faktoren, die wie ein Damoklesschwert über COOPEALNOR hängen.
Für Kleinbauern wie Jairo de Souza Rios oder seinen Nachbar Nelson Borges, die beide vom Verkauf ihrer Bio-Orangen abhängen, und nicht wie Domingos Cardoso de Avila noch Vieh auf der Weide stehen haben, ist die Situation besorgniserregend. Sie hoffen, dass die laue Nachfrage aus Europa sich bessert und dass die Regierung von Präsident Luiz Inácio da Silva wie angekündigt eine nachhaltigere Wirtschaftsstrategie setzt. „Ein erster wichtiger Schritt wäre es, die staatliche Beschaffung von Lebensmitteln erneut zu verpflichten, ein Drittel ihrer Einkäufe, unter anderem für die Schulspeisung, wieder bei Kleinbäuer*innen zu ordern“, fordert Cardoso de Avila und deutet auf die Orangen, die auf dem Förderband in den Laderaum eines LKW gleiten.
Das halten viele Beobachter*innen wie der Gewerkschaftsanwalt Carlos Eduardo Silva für wahrscheinlich. Laut einer aktuellen Studie des brasilianischen Forschungsnetzwerks für Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelsouveränität (Rede Penssan) sind 125 Millionen Brasilianer*innen, rund 59 Prozent der Bevölkerung, von Hunger bedroht. „Das sind Zahlen wie in den 1990er-Jahren. Dafür machen Expert*innen das Abwürgen von Förder- und sozialen Schutzprogrammen sowohl für die familiäre Landwirtschaft als auch für bedürftige Bevölkerungsschichten verantwortlich“, so Silva. Er ist regelmäßig in Río Real unterwegs, weil er dort für die Gewerkschaft der Landarbeiter*innen tätig ist, die auch Kleinbäuer*innen vertritt.
Deshalb war er gemeinsam mit Geschäftsführer Aldo de Souza Teil einer Delegation, die Mitte Februar in Europa unterwegs war und auch die GEPA-Zentrale in Wuppertal besuchte. Dabei wurde auch über Perspektiven, Preise und Projekte für die kommenden Jahre diskutiert.
Derzeit stehen in den Kühllagern noch etliche Fässer mit Orangensaft-Konzentrat von den letzten Importen aus 2022 für die GEPA. „Unser Saft wird überwiegend in Weltläden verkauft, die wegen Corona in den letzten Jahren nur eingeschränkt geöffnet oder sogar geschlossen waren. Neue Bestellungen sind erst für das Frühjahr 2024 geplant sind“, so Annika Schlesinger, GEPA-Einkaufsmanagerin für Honig, Wein und Saft. Bis dahin wird sie sich mit Aldo de Souza allerdings über die Anpassung der Einkaufspreise für den Fair Trade-Orangensaft und die potenziellen Einkaufsmengen von Bio-O-Saft verständigen. Bisher wird der nur in kleinen Mengen für die GEPA-Bio-Limo abgenommen. Doch genau das soll sich ändern.
Dank der laufenden Umstellung auf Bio-Anbau kann COOPEALNOR mehr und mehr Bio-Orangensaftkonzentrat liefern, weshalb auch COOPEALNOR mehr und mehr Bio-Orangensaftkonzentrat für Limonade und Saft an die GEPA liefern wird, so Annika Schlesinger. Auf dem Schreibtisch hat sie zudem einen ersten Projektantrag von COOPEALNOR-Geschäftsführer Aldo de Souza, der um einen Zuschuss aus dem Handelspartnerfonds der GEPA für das Anpflanzen von stickstoffbindenden Bäumen auf den Farmen der Genossen bittet. Der Antrag hat gute Chancen, gefördert zu werden, denn die Blätter der Gliricidia-Bäume lassen sich als natürliches Insektizid verwenden und die stattlichen Bäume binden große Mengen an CO2 – positive Nebeneffekte in Zeiten des Klimawandels.
Stand 03/2023
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