Buchveröffentlichung: „Fair for Future“

Gerd und Katharina Nickoleit: Rückblick und
Ausblick zu über 50 Jahren Fairer Handel

Blick zurück nach vorn: „Fair for Future. Ein gerechter Handel ist möglich“ lautet der programmatische Titel des Buchs von Gerd und Katharina Nickoleit. Als GEPA-Mitbegründer, langjähriger Leiter der GEPA-Grundsatzabteilung und Ehrenmitglied der World Fair Trade Organization hat Gerd Nickoleit viele wegweisende Impulse gegeben – in Deutschland und weltweit. Seine Tochter Katharina berichtet als Journalistin aus dem Globalen Süden.

Fairer Handel heute: Was bedeutet das, auch politisch?

Das Buch ist ein Streifzug durch die Geschichte der GEPA und des Fairen Handels allgemein. Beide ziehen Bilanz: Was bedeutet Fairer Handel ganz konkret: faire Bezahlung, Geschlechtergerechtigkeit, Transparenz, Umweltschutz. Wie findet man den Weg aus der Nische? Wie bleibt man sich treu und doch zukunftsfähig? Und vor allem: Was ist vom Gründungsethos übriggeblieben? Gerd Nickoleit: „Geht es heute tatsächlich noch darum, die Welt gerechter zu machen, oder doch eher um ein Marketingtool, mit dem man kritische Verbraucher*innen erreichen möchte?“ Für ihn bedeutet fair mehr: Gerade die aktuelle Diskussion um das Lieferkettengesetz zeigt, welche Akzente der Faire Handel mit seiner jahrzehntelangen Arbeit auch politisch gesetzt hat. Dabei spielten die Weltläden eine wichtige Rolle. Der jetzige Entwurf zum Lieferkettengesetz kann dabei nur ein erster Schritt sein, auf Dauer reicht diese Kompromisslösung nicht, sondern muss die gesamte Lieferkette in den Blick nehmen.

Fairer Handel, Bio-Anbau und Artenvielfalt

In dem Buch kommen viele Akteure aus der Fair-Handels- und Ökoszene zur Wort, beispielsweise Steffen Reese, Geschäftsführer von Naturland: „Es wird nur dann mehr Ökolandbau geben, wenn die Bauern von ihrer Arbeit leben können, das gilt auch für die Landwirtschaft im Globalen Norden“. Als prominente Gallionsfigur wird die indische Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, genannt. Sie ist der GEPA sehr verbunden, weil der Fair Trade-Pionier sie als streitbare Kämpferin gegen Patente auf Saatgut und für Biodiversität in der Landwirtschaft sehr unterstützt hat. Von ihrer Stiftung Navdanya bezieht der Faire Handel Basmatireis und sichert so das Auskommen vieler Reisbauern aus der Himalaya-Region.  

Beispiel: Schlechte Löhne, ausbeuterische Kinderarbeit

Warum gibt es Kinderarbeit? Weil es schlechte Löhne gibt.Katharina Nickoleit

Das Buch gibt einen lebendigen Einblick, was Engagement mit Leib und Seele bedeutet. „Fast alle Beispiele haben wir selbst erlebt“, so Katharina Nickoleit kürzlich bei einer digitalen Buchvorstellung, die das Forum Fairer Handel und der Christoph-Links-Verlag organisiert haben. „Am Beispiel Fußball kann man viel illustrieren. In der Fußballindustrie ist es gelungen, Kinderarbeit weitgehend abzuschaffen. Aber warum gibt es Kinderarbeit? Weil es schlechte Löhne gibt. Statt Fußbälle zu nähen, sind Kinder dazu übergegangen, chirurgische Instrumente herzustellen.“ Doch chirurgische Instrumente stehen nicht im Fokus wie Fußball. Katharina Nickoleit: „Gerade in solchen Industrien ist es wichtig, dass die Industrie zu menschenrechtlicher Sorgfalt verpflichtet wird. Wir können nicht darauf warten, dass die Verbraucher*innen sagen: ‚Wir wollen das nicht.‘“

Fairer Handel als Wegweiser

Katharina Nickoleit berichtet von einem weiteren „Aha-Erlebnis“ während einer Keniareise: Fischernetze aus Kunststoff „geistern“  für Jahrhunderte als tödliche Fallen für Meerestiere durch die Ozeane. Früher wurden sie aus Jute hergestellt und verrotteten. Katharina Nickoleit: „Da war sie wieder, die Jute“. Und an ihren Vater gewandt, der die „Jute statt Plastic“-Tasche nach Deutschland gebracht und die GEPA damit in der Alternativ-Szene bekannt gemacht hatte: „Hätte man euch damals geglaubt, hätte die Welt heute ein riesiges Problem weniger.“

Nun, das ein oder andere hat man den Akteuren der ersten Stunde schon geglaubt, wie auch Gerd Nickoleit selbst hervorhebt: „Kriterien, die wir damals entwickelt haben, sind heute für das Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Leitlinie für das Lieferkettengesetz. Viele Punkte werden dort verwandt.“

Was bleibt zu tun?

Viele Fragen, die das Buch aufwirft, sind aktueller denn je. Hat sich die Sicht auf das Thema nach 50 Jahren Arbeit für den Fairen Handel verändert? Gerd Nickoleit: „Es ging um Gerechtigkeit. Das ist immer noch so. Der Mensch steht im Vordergrund, nicht der Profit“. Gegen die Gefahr der Verwässerung und Beliebigkeit muss man aus seiner Sicht weiter kämpfen und gleichzeitig den Schulterschluss mit anderen zivilgesellschaftlichen Bewegungen suchen. Deshalb fordert er „mehr Achtung vor der Tätigkeit der anderen, Kräfte bündeln, komplementär für ein gemeinsames Ziel“. Gemeinsam den Finger auf die Wunde zu legen – das ist heute so wichtig wie vor 50 Jahren. Und so lautet auch der Schlusssatz des Buches: „Denn trotz allem, was erreicht wurde, haben wir eigentlich gerade erst richtig angefangen.“


Stand 04/2021

WEITERE INFORMATIONEN

Das Buch ist im Christoph-Links-Verlag erschienen und für 18 Euro im Buchhandel erhältlich.
Zum Buch auf der Seite des Verlags

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